Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

100 Der lebte Foltunger.

„Forſcht nicht, wer ich bin,“ tönte es hohl aus der Oeffnung des Viſirs. „Gelobt mir Schweigen oder gebt mix das Pfand zurü>. Jh bin ein Entexbter, den Jhr vorher nie geſehen habt, und als Lebendigen niemals anders ſehen werdet, als mit geſchloſſenem Viſin." ;

Der Gewappnete wartete keine Antwort ab, obwohl ex ein Verſprechen erbeten; er ſchien ſih vor weiteren Fragen zu fürchten und entfernte ſi raſchen Schrittes, wie auf einer Flucht.

„Ex war es!“ tönte es halb jauchzend, halb wehmüthig aus Freia’s Bruſt, „er wollte niht, daß ih ihn erkenne, er wird den Tod' ſuchen in der Schlacht.”

„Nein ,“ murmelte Edda, „nein ,” aber es ſchien, als zwänge ſie ſi zu dieſer Erklärung wider die eigene Ueber=zeugung, „glaubte ih das, ich eilte ihm nah, er müßte uns Rede ſtehen.“ Der Gedanke dur<hzu>te ſie, daß wenn der „Enterbte“ Hako war, Moltke ſicherlich ſein Genoſſe ſei.

Der Rath im Zelte der Königin war beendet, die Heexfithrer hatten ſich verabſchiedet, die Königin ſaß allein, tief in Gedanken verſunken an dem mit Karten und Per= gamenten bede>ten Tiſche und bemerkte den Eintritt Cdda's und Freitas erſt, als dieſe ſich ihr näherten. Sie blickte auf und {hob die Papiere von ſich, als wolle ſie ſorgenvolle Gedanken bannen; ſie errieth aus dem verſtörten Weſen ihrer Vertrauten, daß denſelben etwas Beſonderes begegnet ſei.

„Du ſchauſt mich an,“ ſagte fie lächelnd zu Edda, „als hätteſt Du etwas auf dem Herzen, was Du mix niht zu ſagen wagſt. Haſt Du eine böſe Viſion gehabt, fürchteſt Du, daß Gott uns morgen verlaſſen könnte?“