Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

Novelle von A, Kiſtner. - 143

bedeuteten. Daraus folgerten ſie, daß Otto in cinem anz ſehnlichen Hauſe engagirt ſein müſſe.

„Natürlich,“ meinte ſeine Mutter „man wird dort längſt ſeine Fähigkeiten erfannt haben. Hoffentlich wird er dort nah Verdienſt geſtellt ſein und mix bald die ver= ſprochenen Umzugskoſten ſenden.“

Und nun wurde das Geſpräch in gewohnter Weiſe fortgeſeßt und da der Kopf der kleinen Mieze Meerheim niht wieder dur< die Thüre ſchaute und Helene die Ge=ſ<hi<te von Otto dem Schönen, dem Kühnen, dem Herr= lichen mit immer gleihem Fntereſſe und ſehr glü>lichem Lächeln anhörte, fo wurde das mütterliche Weihrauchfaß über den Sohn ununterbrochen fortgeſ{<wungen.

Halb in Träumerei verloren , trat Helene dann den Heimweg an. Die Blume, welche bei Armfeld's Fort= gehen ſo ſtill in ihrem Herzen ſi< erſchloſſen, trieb und grünte mächtig weiter. Die Hoffnung, mit der Phantaſie im Bunde, malte ihr ein farbenprächtiges Bild aus, vor dem ſie faſt erſ<hrak. Sie ſchämte ſich vor ſi ſelbſt und hätte um feinen Preis gemocht, daß Jemand ahnte, wel? thörichter Gedanke ihr ſoeben dur< ihren alten Kopf ge-= ſchofſen war.

Sie hielt ſi<h eine harte Strafpredigt, doch in ihr lebte das Streben nach einem unbeſtimmten Ziele. Jhr Denken, Hoffen, Fühlen war in die Zukunft gerichtet, Sie ſagte ſi<h am Abend mit Befriedigung: „Wieder ein Tag hin“ und freute ſi<h jeder verfloſſenen Woche, ohne daß ſie wußte weshalb.

Im Uebrigen ging das Leben ſeinen gewohnten Gang.