Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

144 Ohne viele Worte.

Helene nähte, las, ſpielte Klavier, beſuchte ihre Freunde, gerade wie andere Damen in ihren Verhältniſſen es thaten. Sie fuhr fort, ſich in Armenvereinen nüßlih zu maten und pflegte im Sommer ihre Blumen. Eine Reiſe erlaubte fie ſich in dieſem Jahre nicht, ſie mußte ſehr ſparſam ſein. Machte ſie eine kleine Tour, ſo fuhr ſie dritter Klaſſe. Auch eine neue Mantille konnte ſie ſih nicht an= ſchaffen, obglei<h Hanne dieſe Ausgabe für nöthig hielt. Die ſe<8hundert Mark Zinſen zu entbehren wurde thr ſchwer, aber vielleicht kam Armfeld in die Lage, ihr bald etwas von ſeiner Schuld abzutragen, wie es ſeine Abſicht geweſen. Und ſeine Mutter? Nein, ſie durfte an ſich niht denken.

„Warum ſchreibt Armfeld mix niht?“ fragte ſich Helene, als Woche auf Woche, Monat auf Monat ver= gingen. „Warum ſchreibt er mix niht? Habe ih das um ihn verdient?“ — Ja, hatte ſie denn auf Dank gerechnet ? Nein, nein, gewiß niht auf Dank. Aber ſeit er fort ge= gangen, mußte ſie immer an ihn denken und er — gedenkt nicht an die lehten Augenbli>e. O Gott!

„Warum ſchi>t Otto kein Geld?“ fragte Frau Arm= feld. „Noch nie hat er mich ſo lange warten laſſen.“

Es fam die Weihnachtszeit heran, in der jeder Ge= ſchenke zu machen wünſcht. Helene verzichtete ungern auf dieſe Freude. Durch die Geſchiklichkeit ihrer Hände ſuchte ſie Erſaß zu ſchaffen. Allerlei niedliche Kleinigkeiten ent= ſtanden, mit denen in der Familie ihres Bruders jeder bedacht werden ſollte.

Während des Häkelns und Strickens ſ{weiften ihre