Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

Novelle von A. Kiſtner. 149

daß ſie no< aht Tage damit gewartet. Viel länger als Armfeld’s Brief war dann auh der ihrige niht, doch ſtanden die Worte darin: „Jh weiß, daß Sie ein guter Menſch ſind.“

Daß ſie ſeiner Mutter unter irgend einer Ausrede das Geld eingehändigt hatte, erfuhr er erſt, als dieſe ihm daz für dankte und hinzufügte, daß ſie für die Mühe, die Helene beim Erheben des Geldes gehabt, ihx zu Weihnachten einen Rehbraten in's Haus geſchi>t habe.

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Mieze Meerheim war im vorigen Jahre eingeſegnet und genoß jezt ihr Leben in übermüthiger Weiſe zum Ver= druß ihrer Erzieherinnen, Fräulein Amelie und Luiſe Schwarz.

Erſtere war durch ihre {wache Geſundheit ans Haus gefeſſelt, Leßtere verſuchte Mieze auf Schritt und Tritt zu folgen. Dabei benahm ſie ſi< wie eine Henne, die ein Entchen ausgebrütet hat.

Die kleine Ente ſchwamm luſtig im Waſſer und ver= froh fi oft vor den ſforglich ſpähenden Blicken des alten Huhns im dichten Uferſchilf.

Die wenigen Unterrichtsſtunden, welche Mieze auf Fräulein Amelie’s energiſ< ausgeſpro<henen Wunſch noh beibehalten hatte, wurden von ihr ſehr oberflächli<h auf= gefaßt. Kam es darauf an, ſo wußte ſie doch ſtets, was ſie wiſſen wollte. Jhr genügte das vollkommen. Uebrigens iar ſie kreuzfidel, ſang wie eine Lerhe vom Morgen bis Abend, auf Treppen und Korridoren , obgleich ihr dieſes wiederholt als unpaſſend unterſagt worden war,