Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

“Novelle von À, Kiſtner. 155

Oben angelangt wurde ſie aus ihrem Traume unſanft aufgeſchre>t. Beide Tanten empfingen ſie mit Vorioüxfen.

„Bei dieſem Regen umhexzulaufen und no< dazu ohne Schirm. Wie naß Du biſt! Nun we<hſele nux ſ{<hnell die Kleider.“

Mieze wollte ſich vertheidigen, da ſah ſie, daß wahre Waſſerſtröme von ihr herabliefen. Karl Merten mußte den Schirm während ſeiner Liebeserklärung ſ<hräg gehalten haben, denn au< in dem Rande ihres Baretts hatte ſich dex Regen geſammelt. Aber wo wax der Schirm geblieben? „Den hat ex mitgenommen ,“ beruhigte ſi<h Mieze und ſand, daß die Tanten mit einer Braut au< wohl eiwas reſpefttvoller umgehen fönnten. Dieſe Anſprüche hütete ſie ſich aber doch geltend zu machen. Die ganze Sache mußte ja tiefes Geheimniß bleiben, ſoviel ſtand feſt.

Abends im Bette konnte ſie keine Ruhe finden und dachte daran, daß ſie nun künftig Marie Merten heißen wlirde. Alſo die Anfangsbuchſtaben bleiben M. M. Gut für das Monogramm in ihrer Wäſche. Sie kicherte leiſe, ivenn ſie ſi<h Karl Mexten als ihren Mann vorſtellte. Zu fomiſ<h! Sie biß die weißen Zähne in die kirſchrothen Lippen, damit man ſie nicht lachen höre. So {lief ſie ein.

Am folgenden Tage war ihr Alles wie ein Traun. Eigentlih mochte ſie niht gern daran denken, auch nicht auf die Straße gehen, aus Furcht, Kaxl Merten zu be= gegnen. Als dies nah einigen Tagen geſchah, ſ<hämte ſie ſich und wurde roth. Sie freute ſich nux, daß Tante Luiſe mit ihr ging, ſonſt hätte ex ſie angeredet. Geradezu unangenehm war es ihr, daß Karl Merten immer am Hauſe