Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

Novelle von A. Kiſtner. 159

Sie nahm ein Tuch, einen Hut, was ſie faſſen konnte. Sie, die ſonſt wie eine Treibhauspflanze ſich pflegen ließ, eilte dur< den falten Oſtwind den Weg nah Helenens Wohnung. Sie dachte an keine Schwäche, ſie fühlte auh feine, So erſchien fie plöblih in Helenens Zimmer, zerzaust, verweht, athemlos, feines Wortes mächtig.

Dieſer Anbli> xaubte Helene faſt die Beſinnung, ſie wußte ſih niht zu faſſen, ſie war unfähig, no< länger Komödie zu ſpielen, und mit halben Worten, unter krampf= haftem Schluchzen geſtand ſie Frau Armfeld einen Theil der Wahrheit. Otto hatte geſpielt, Alles verſpielt mehr nicht.

Dieſer Theil der Wahrheit war ſchon zu viel für die arme Mutter. Wie immer folgte ein heftiger Nerven= anfall. Sie wurde mit Hannens Hilfe in Helenens Bett geſchaft, verbrachte dort eine ſehr ſ{<hle<te Nacht, konnte vor Entkräftung zwei Tage lang niht aufſtehen, während Helene ſie niht verließ und ſi ſelbſt des Nachts mit dem Sopha als Lagerſtatt begnügte. Endlich konnte die Kranke, in Kiſſen und De>en gepa>t, in einer Droſchke nach ihrer Wohnung gebra<ht werden. Sie wollte Helene gar niht von ſi< laſſen, mit Niemanden ſonſt vermochte ſie jeht über Otto zu ſprechen.

Armer Otto! Wie unglü>li< mochte ex ſein! Und ſie konnte ihn niht tröſten, ihm nicht helfen, ſie, ſeine Mutter! Sie weinte immex, wenn ſie an thn dachte.

Unſchuldig mußte Otto ſein, ſie wußte das ganz gewiß, man hatte ihn verleitet, er war fo gutherzig, ſo gefällig. Was würde er beginnen? Wo, wie leben?