Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

Novelle von A. Kiſtner. 169

„Du fommſt bald einmal na< Frankfurt und ſchreibſt gleich, wie es Tante Amelie geht. Nicht wahr, das ver= ſprichſt Du mix?“

Kuß auf Kuß, Umarmung, Schwenken der thräneu= feuchten Taſchentücher. Der Zug, mit Mieze darin, war fortgerollt.

Jedo<h ſhon in wenigen Tagen hatte ſi<h Mieze in Frankfurt ſo vollſtändig eingelebt, als ſei ſie ſtets in Frau Olten's Hauſe geweſen. Jhr heiterer Sinn, ihr luſtiges Lachen wirkten unwiderſtehli<h, Alle waren ihr gut. Sie redete Helene ſofort als Couſine an, und bat in der erſten halben Stunde, ſie „Du“ nennen zu düxfen.

Auch mit Hanne hatte ſie ſi< am erſten Lage be= freundet. Sie hielt ſi viel in der Küche auf, dort konnte ſie nah Herzensluſt ſ<hwaßen. Daß Bob dieſes ſicher niht ſehr paſſend finden würde, fiel ihr niht ein, und die Bemerkungen, welche Helene darüber machte, kümmerten ſie niht. Mieze hatte ſi feſt vorgenommen, ihre Er= ziehung jebt endli<h als vollendet zu betrahten und keinerlei Autorität über ſi<h zu dulden. Frau Olten ſollte nichts ſagen, und ihr Großvater —?

„Pah, will er raiſonniren, ſinge ih ihm ein Lied, danu iſt er fein ſtill und i< bekomme meinen Willen,“ dachte Mieze.

Der alte Mann war in dex That entzü>t geweſen, als er ſie zum erſten Male ſingen hörte: „F< ſchnitt es gern in alle Rinden ein!“ und dann am Schluß jubelnd: „Dein iſt mein Herz und ſoll es ewig bleiben!“ Ex meinte, daß man wirkli< glauben ſolle, fie empfinde au