Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1, page 155

Orang-Utan: Kämpfe mit Menſchen und Tieren. Säugling in Gefangenſchaft. 97

und wartete man es, ſo war es ruhig und zufrieden; ſowie man es aber ablegte, ſchrie es ſtets, namentlih in den erſten paar Nächten, welche es unter großer Unruhe verbrate. S< madhte einen kleinen Kaſten als Wiege zurecht und reihte ihm eine weiche Matte, welche täglich gewe<ſelt und gereinigt wurde, fand es jedoch ſehr bald nötig, auch den klei: nen Meias zu waſchen. Dieſe Behandlung gefiel ihm, nachdem er ſie einigemal durhgemacht hatte, in ſo hohem Grade, daß er zu \<hreien begann, ſobald ex ſ{<mußig war, und uit eher aufhörte, als bis ih ihn herausnahm und nah dem Brunnen trug. Dbwohl ex beim erſten kalten Waſſerſtrahl etwas ſtrampelte und ſehr komiſche Grimaſſen ſchnitt, beruhigte er ſi< dann doch ſofort, wenn das Waſſer über ſeinen Kopf lief. Das Abwaſchen und Troenreiben liebte er außerordentlich, und vollkommen glü>li< ſchien er zu ſein, wenn ih ſein Haar bürſtete. Dann lag er ganz ſtill und ſtre>te Arme und Beine von ſi, während ih das lange Haar auf Nü>ken und Armen ſtrählte. Fn den erſten paar Tagen klammerte er ſich mit allen vieren verzweifelt an alles, was er pa>en konnte, und ih mußte meinen Bart ſorgfältigſt vor ihm in aht nehmen, da ſeine Finger das Haar hartnä&iger als irgend etwas feſthielten und ih mih ohne Hilfe unmöglih von ihm befreien fonnte. Wenn er aber ruhig war, wirtſchaftete er mit den Händen in der Luft umher und verſuchte irgend etwas zu ergreifen. Gelang es ihm, einen Sto> oder einen Lappen mit zwei Händen oder mit dieſen und einem Fuße zu faſſen, ſo ſchien er ganz glü>li<h zu ſein. Jn Ermangelung eines anderen ergriff er oft ſeine eigenen Füße, und nach einiger Zeit freuzte er faſt beſtändig ſeine Arme und pa>te mit jeder Hand das lange Haar unter der entgegengeſeßten Schulter. Bald aber ließ ſeine Kraft nah, und ih mußte auf Mittel ſinnen, ihn zu üben und ſeine Glieder zu ſtärken. Zu dieſem Zwecke verfertigte ih ihm eine kurze Leiter mit drei oder vier Sproſſen und hing ihn eine Viertelſtunde lang an dieſelbe. Zuerſt ſchien ihm dies zu gefallen; er konnte jedo<h niht mit Händen und Füßen in eine bequeme Lage kommen und ließ, nachdem er jene verſchiedene Male geändert hatte, eine Hand nah der anderen los, bis er zuleßt auf den Boden herabfiel. 2 tan<hmal, wenn er nur an zwei Händen hing, ließ er eine los und kreuzte ſie nah der gegenüberliegenden Squlter, um hier ſein eigenes Haar zu pa>en, und da ihm dieſes meiſt angenehmer als der Sto> zu ſein ſchien, ließ er auh die andere los, fiel herab, kreuzte beide Arme und lag zufrieden auf dem Rücken. Da ich ſah, daß er Haar ſo gern hatte, bemühte ih mi<h, ihm eine künſtlihe Mutter herzuſtellen, indem ih ein Stück Büffelhaut in einen Bündel zuſammenſchnürte und niedrig über dem Boden aufhing. Zuerſt ſchien ihm dasſelbe ausgezeihnet zu gefallen, weil ex mit ſeinen Beinen nah Belieben umherzappeln konnte und immer etwas Haar zum Feſthalten fand. Meine Hoffnung, die kleine Waiſe glü>lich gemacht zu haben, ſchien erfüllt. Bald aber erinnerte er ſich ſeiner verlorenen Mutter und verſuchte zu ſaugen. Dazwiſchen zog er ſi ſoviel als möglich in die Höhe und ſuchte nun überall nah der Saugwarze, bekam aber nur den Mund voll Haare und Wolle, wurde verdrießlih, ſchrie heftig und ließ nah zwei oder drei vergeblichen Verſuchen gänzlih von ſeinem Vorhaben ab. Eines Tages war ihm etwas Wolle in die Kehle gekommen, und ih fürdhtete ſchon, daß er erſtifen würde; nach vielem Keuchen aber erholte er ſich doh wieder. Somit mußte ih die nahgeahmte Mutter zerreißen und den lezten Verſuch, das kleine Geſchöpf zu beſchäftigen, aufgeben. Nach der erſten Woche fand ih, daß ih ihn beſſer mit einem Löffel füttern und ihm mehr abwe<hſelnde und nahrhaftere Koſt reichen könnte. Gut eingeweichter Zwieba> mit etwas Ei und Zu>ker gemiſcht, manhmal ſüße Kartoffeln wurden gern gegeſſen, und ich bereitete mir ein nie fehlſ<hlagendes Vergnügen dadurch, daß ih die drolligen Grimaſſen beobachtete, dur welche er ſeine Billigung oder ſein Mißfallen über das, was ih ihm gegeben hatte, ausdrü>te. Das arme fleine Geſchöpf bele>te die Lippen, zog die Baen ein und verdrehte die Augen mit dem Ausdru®e der höchſten Befriedigung, Brehm, Tierleben. 3. Auflage. T. T7