Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1, page 159

Orang-Utan: Gebaren in Gefangenſchaft. 101

ſchien ihm ein beſonderes Vergnügen zu machen; denn er führte es mehrmals des Tages an verſchiedenen Tauen aus. Seine Gewandtheit und die bei dieſen Bewegungen ſichtbar werdende Muskelkraft war erſtaunenswert. Kapitän Smitt, der Beobachter, hatte einige hundert Kokosnüſſe mitgenommen, von welchen der Affe tägli zwei erhielt. Die äußerſt zähe, 2 Zoll die Hülle der Nuß, welche ſelbſt mit einem Beile nur {wer zu durhhauen iſt, wußte er mit ſeinem gewaltigen Gebiſſe ſehr geſchi>t zu zertrümmern. Er ſeßte an dem ſpißigen Ende der Nuß, wo die Frucht kleine Erhöhungen oder Bu>el hat, mit ſeinen furhtbaren Zähnen ein, pa>te die Nuß dann mit dem reten Hinterfuße und riß ſo regelmäßig die zähe Schale auseinander. Dann dur<hbohrte er mit den Fingern eine der natürlichen Öffnungen der Nuß, trank die Milch aus, zerſhlug hierauf die Nuß an einem harten Gegenſtande und fraß den Kern.

Nachdem das Shhiff die Sundaſtraße verlaſſen hatte, verlor gedachter Waldmenſch mit der abnehmenden Wärme mehr und mehr ſeine Heiterkeit. Er hörte auf zu turnen und zu ſpielen, kam nur noh ſelten auf das Verde, ſchleppte die wollene Dee ſeines Bettes hinter ſih her und hüllte ſi, ſobald er ſtill ſaß, vollſtändig in dieſelbe ein. Jn der gemäßigten ſüdlichen Zone hielt er ſi größtenteils in der Kajütte auf und ſaß dort oft ſtundenlang mit der Deke über dem Kopfe regungslos auf einer Stelle. Sein Bett bereitete er ſih ebenfalls mit der größten Umſtändlichkeit. Er \chlief nie, ohne vorher ſeine Matraße zwei- bis dreimal mit dem Rü>en der Hände ausgeklopft und geglättet zu haben. Dann ſtre>te er ſi auf den Rüen, zog die Deke um ſi, ſo daß nur die Naſe mit den di>en Lippen frei blieb, und lag in dieſer Stellung die ganze Nacht oder 12 Stunden, ohne ſi<h zu rühren. In ſeiner Heimat geſhah ſein Aufſtehen und Niederlegen ſo regelmäßig wie der Gang einer Uhr. Punkt 6 Uhr morgens oder mit Sonnenaufgang erhob ex ſih, und ſowie der leßte Strahl der Sonne hinter dem Geſichtskreiſe entſ<hwunden war, alſo Punkt 6 Uhr abends, legte er ſih wieder nieder. Je weiter das Schiff na<h Weſten ſegelte und demgemäß in der Zeit abwich, um ſo früher ging er zu Bette und um ſo früher ſtand ex auf, weil er eben auch nur ſeine 12 Stunden ſ<hlief. Dieſe Veränderung des Schlafengehens ſtand übrigens niht genau mit der Zeitrehnung des Schiffes im Verhältniſſe; allein eine gewiſſe Regelmäßigkeit war nicht zu verkennen. Am Vorgebirge der Guten Hoffnung ging er bereits um 2 Uhr des Mittags zu Bette und ſtand um ?/23 Uhr des Morgens auf. Dieſe beiden Zeiten behielt er ſpäter bei, obwohl das Schiff im Verlaufe ſeiner Reiſe die Zeit no< um 2 Stunden veränderte.

Außer den Kokosnüſſen liebte er Salz, Fleiſh, Mehl, Sago 2c. und wandte alle möglie Liſt an, um während der Mahlzeit eine gewiſſe Fleiſhmenge ſich zu ſihern. Was er einmal gefaßt hatte, gab er nie wieder her, ſelbſt wenn er geſhlagen wurde. 3—4 Pfund Fleiſh aß er mit Leichtigkeit auf einmal. Das Mehl holte er ſi täglih aus der Küche und wußte dabei immer eine augenbli>lihe Abweſenheit des Koches zu benußen, um die Mehltonne zu öffnen, ſeine Hand tüchtig voll zu nehmen und ſie nachher auf dem Kopfe abzuwiſchen, ſo daß er ſtets gepudert zurü>kam. Dienstags und Freitags, ſobald zum Eſſen geläutet wurde, ſtattete er den Matroſen unwandelbar ſeinen Beſuch ab, weil die Leute an dieſen Tagen Sago mit Zu>er und Zimt erhielten. Ebenſo regelmäßig ſtellte er ſi< um 2 Uhr in der Kajütte ein, um am Mahle teilzunehmen. Beim Eſſen war er ſehr ruhig und, gegen die Gewohnheit der Affen, reinlih; doh konnte er nie dazu gebraht werden, einen Löffel richtig zu gebrauchen. Er ſeßte den Teller einfa an den Mund und trank die Suppe aus, ohne einen Tropfen zu verſchütten. Geiſtige Getränke liebte er ſehr und erhielt deshalb mittags ſtets ſein Glas Wein. Er leerte dieſes in ganz eigentümliher Weiſe. Aus ſeiner Unterlippe konnte er dur< Vorſtre>en einen 3 Zoll langen und faſt ebenſo breiten Löffel bilden, geräumig genug, um ein ganzes Glas Waſſer aufzunehmen. Fn dieſen Löffel ſchüttete