Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Pariahunde in Konſtantinopel. Charakterzüge. 89

den gegenüberwohnenden Nachbar erfuhr, daß einer der von ihr ſo oft bedachten. vierbeinigen Bettler den Klopfer in Bewegung ſete, offenbar in der Abſicht, ſie an ihn zu erinnern. Sie hatte den Hund beim Öffnen der Thüre wohl geſehen, ſein freundliches Schwanzwedeln nur niht bea<htet. Jn das Warenlager eines meiner Freunde kam während der Zeit, in welcher die Behörde einen Teil der Straßenhunde dur vergiftete Speiſereſte wegzuräumen pflegt, eine trächtige Hündin, welche zu wenig Gift genoſſen hatte, um zu ſterben, aber, von entſeßlichen S<hmerzen gepeinigt, ſih krümmte und heulte. Mein Freund verſprach ſeinen Bedienſteten eine Belohnung, wenn ſie der Hündin Milch und Öl einflößen würden. Es gelang dreien von ihnen, die Hündin ſo feſt zu halten, daß man ihr die Flüſſigkeiten eingeben konnte; ſie erbrah ſi< und war am anderen Tage außer Gefahr. Nach einiger Zeit warf ſie ſehs Junge in einem Nebenraume der Niederlage, wies jedem, welcher ſich ihr näherte, ingrimmig die Zähne, nur jenen drei Dienern nicht, gehorchte Befehlen derſelben, hütete und bewachte die Niederlage bei Tage und Nacht und verließ die Straße und das Haus nie wieder. Jn der Derwiſchſtraße in Pera wohnte einige Wochen lang ein Geſchäftsreiſender, welcher beim Kommen und Gehen einem Straßenhunde Almoſen zu ſpenden pflegte. Bei ſeiner Abreiſe folgte der Hund, ungeaqtet aller Zurü>weiſungen, bis zum Einſchiffungsplage, ſah, wie ſein menſchlicher Freund die Barke und das Dampfſchiff beſtieg, ſchien zu exfennen, daß er ihn für immer verlieren werde, ſtürzte ſi< ins Meer und ſ{hwamm dem Schiffe zu. Der Kapitän ſandte ihm eine Barke entgegen und ließ ihn an Bord bringen. Augenbli>li< eilte er auf ſeinen Wohlthäter zu und gab ſeiner Freude ſtürmiſh Ausdru>. Der Reiſende würdigte dieſe Geſinnung und nahm das treue Tier mit ſich.“ Solche Beiſpiele genügen, um zu beweiſen, daß auch der vertommenſte Hund dem Menſchen, von deſſen Wohlwollen er ſih überzeugt hat, zum anhänglichen, treuen Diener wird.

Am Aſowſchen Meere lebt der Hund, nah Schlatters Bericht, unter ähnlichen Verhältniſſen wie in Ägypten und der Türkei. Er genießt bei den nogaiſchen Tataren geringere Wertſchäßung als die Kate, welche das Recht hat, im Hauſe zu wohnen, an allem herumzunaſchen, aus einer Schüſſel mit den Kindern und Erwachſenen zu eſſen und wohl auh auf einer Matraze mit dem Menſchen zu ſchlafen. Sie wird zu den reinen Tieren gezählt, und der Tatar läßt es ihr, als dem Lieblinge des großen Propheten Mohammed, an nichts fehlen. Der Hund hingegen darf ſih im Hauſe niht bli>en laſſen. Da kein junger Hund umgebracht wird, beleben ſie die Dörfer in übergroßer Anzahl Sie erhalten zwar zuzeiten, wenn ein Stü> Vieh geſchlachtet wird, oder wenn es Aas gibt, ſatt zu freſſen, müſſen dann aber oft wieder lange hungern. Sehr häufig ſieht man ſie Menſchenkot verzehren; ſie werden ſogar herbeigerufen, um den Boden davon zu ſäubern. Nicht nur den Fremden, ſondern ſelbſt den Tataren ſind dieſe grimmigen Tiere eine harte Plage. Jn fremder Tracht iſt es faum möglich, ohne Begleitung von Tataren dur<hzukommen, ſelbſt zu Pferde hat man noch Mühe. Schlägt man mit dem Stoke drein, ſo kommen auf das jammernde Geheul des getroffenen Hundes alle Hunde des Dorfes zuſammen, und die Sache wird ernſter denn zuvor. Dasſelbe iſ der Fall, wenn man ſchnellen Gang einſchlägt, oder wenn man ſih dur< Laufen zu retten ſut. Es ſind mix mehrere Beiſpiele bekannt, daß Perſonen niedergeworfen und ſehr ſchwer verwundet wurden. Am meiſten fürchten dieſe Hunde den Knall des Schießgewehres, ſie ſind daran niht gewöhnt und werden wie betäubt davon. Hat man nichts Derartiges bei ſi, und will nichts mehr helfen, ſo iſt das beſte, wenn man ſich noch zur Zeit ruhig niederſebht. Dies hilft gewöhnlich. Es macht die Hunde ſtußen; ſih verwundernd ſtellen ſie ſich in einen Kreis herum, ohne anzupa>en, und gehen am Ende auseinander. Zur Vewachung der Herden werden ſie nicht benugt, fallen dieſe ſogar gelegentlich in der Steppe an.

Von den Hunden des ſüdlichen Rußland erzählt Kohl. „Fm Winter“ ſagt er, „ziehen ſich die Hunde ſcharenweiſe nah den Städten, ſtören im weggeworfenen Unrate und zerren