Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

100 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

der Dachshund nur der Erdhöhle, der Windhund nur dem Laufe, die Dogge nur dem Herrn, der Hühnerhund nur dem Feldhuhne angehört. Bloß der Pudel befreundet ſi< mit allen Dingen, mit der Kate, dem Gegenſaße, mit dem Pferde, dem Gefährten, mit dem Menſchen, dem Herrn, mit dem Hauſe, es bewachend, mit dem Waſſer, aus deſſen Tiefe er gern Steine holt, mit dem Vogel des Himmels, zu welchem er hoh hinaufſpringt, ihn zu fangen, mit der Kutſche und dem Wagen, indem er unter ihnen herläuft. Doggen vertreten Wächter, Soldaten, Mörder, bannen und erdroſſeln Menſchen. Die Windſpiele und Jagdhunde vertreten die Jäger mit angeborenen Jägerbegabungen. Wie leicht ſind ſie an das Horn zu gewöhnen, wie ahtſam ſind ſie auf den Schuß und jedes Jagdzeichen! Wie verſtehen ſie ſo genau alle Stimmen und Bewegungen des Wildes; wie geſchi>t iſt der Hühnerhund, zu lernen, wie er das gefundene Tier anzeigen, feſtbannen, welches Bein er erheben oder vorſtre>en muß, je nachdem er dieſes oder jenes erbli>t. Zwar lehrt ihm ſchon viel die Natur, und er muß gar niht alles vom Menſchen lernen, er lehrt ſi< manches ſelbſt. Aber der Pudel lehrt ſi ſelb no< weit mehr, an ihm iſt alles Seele, er maht ni<hts Dummes oder nux, wenn er ſelbſt es will. Fn allen Hundearten iſt mehr Trieb, in ihm mehr Verſtand. Wie raſt der Jagdhund der Jagd zu, wie tobt er keuchend atemlos dem Wilde nah! Wie wütet die Dogge auf den Feind los! Wie niederträchtig umrennt der Mebgerhund mit le<hzender, herabhängender Zunge und falſchem Auge im Halbkreiſe die vor ihm angſtvoll trippelnden Kälber! Wie roh fällt er ſie an, wenn ſie ſih auf die Seite verirren, wie gleihgültig iſt er gegen ihren Shmerz, ja er ſcheint ihm no<h zu gefallen! Wie ſtürzt der Hühnerhund auf die erlegten Vögel, hingeriſſen von der Wut, ſie zu erdroſſeln! Nichts von allem dieſem Unedlen, Unwürdigen, Schimpflihen am Pudel, wenn ex nicht verzogen wurde, wenn man ihn, ſei es auh nur naturgemäß, ſeinem eigenen Genius überlaſſen hat. Der Pudel iſt von Natur gut, jeder ſchlechte iſt durh Menſchen ſ{hle<ht gemacht worden.“

Was ließe ſi<h über den Verſtand des Hundes nicht alles no< ſagen! Fürwahr, man darf es Zoroaſter niht verdenken, wenn er in dieſem Tiere den Begriff alles tieriſ< Edlen und Vollkommenen vereinigt ſieht. Müſſen wir doch alle am Hunde unſeren treueſten Freund, unſeren liebſten Geſellſchafter aus dem ganzen Tierreiche erbli>en; ſind wir doch im ſtande, uns mit ihm förmlih zu unterhalten.

„Jh habe Hunde gekannt“, ſagt Lenz, „welche faſt jedes Wort ihres Herrn zu verſtehen ſchienen, auf ſeinen Befehl die Thür öffneten und verſchloſſen, den Stuhl, den Tiſch oder die Bank herbeibrachten, ihm den Hut abnahmen oder holten, ein verſte>tes Shnupftu< und dergleichen aufſuhten und braten, den Hut eines ihnen bezeihneten Fremdenunter anderen Hüten dur< den Geruch hervorſuchten 2c. Überhaupt iſt es eine Luſt, einen klugen Hund zu beobachten, wie er die Ohren und Augen wendet, wenn er den Befehl ſeines Herrn erwartet, wie entzü>t er iſt, wenn er ihm folgen darf, und wie jämmerlich dagegen ſein Geſicht, wenn ex zu Hauſe bleiben muß; wie er ferner, wenn er vorausgelaufen und an einen Scheideweg gekommen, ſi umſieht, um zu erfahren, ob er links oder rechts gehen müſſe; wie glü>ſelig er iſt, wenn ex einen recht klugen, wie beſchämt, wenn er einen dummen Streich gemacht hat; wie er, wenn er ein Unheil angeſtellt hat und niht gewiß weiß, ob ſein Herr es merkt, ſih hinlegt, gähnt, den Halbſchlafenden und Gleichgültigen ſpielt, um jeden Verdacht von ſi< abzuwälzen, dabei aber doch von Zeit zu Zeit einen ängſtlichen, ihn verratenden Bli> auf ſeinen Herrn wirft; wie er ferner jeden Hausfreund bald kennen lernt, unter den Fremden Vornehm und Gering leiht unterſcheidet, vorzüglih einen Jngrimm gegen Bettler hegt 2c. Hübſch ſieht ſih's au< mit an, wenn ein Hund ſeinem Herrn zu Gefallen Trüffeln ſucht, für die ex doh von Natur eigentlich gar keine Liebhaberei hat; wie ein anderer ſeinem Herrn den Schubkarren ziehen hilft und ſi< um ſo mehr anſtrengt, je mehr er ſieht, daß ſein Herr es thut.“