Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Haushunde: Herr und Hund. Eigenheiten. 101

Aus dieſem allen geht hervor, daß die Hundearten untereinander in ebendemſelben Grade geiſtig verſchieden ſind, wie ſie leibli< voneinander abweichen. Unerſchütterliche Treue und Anhänglichkeit an den Herrn, unbedingte Folgſamkeit und Ergebenheit, ſtrenge Wachſamkeit, Sanftmut, Milde im Umgang, dienſtfertiges und freundliches Betragen: dies find die hervorragendſten Züge ihres geiſtigen Weſens. Kein einziger Hund vereinigt ſie alle in gleih hoher Ausbildung: der eine Zug tritt mehr zurü>, der andere mehr hervor. Mehr, als man annimmt, thut dabei die Erziehung. Nur gute Menſchen können Hunde gut erziehen. Der Hund iſt ein treues Spiegelbild ſeines Herrn: je freundlicher, liebreicher, aufmerkſamer man ihn behandelt, je beſſer, reinliher man ihn hält, je mehr und je verſtändiger man ſi mit ihm beſchäftigt, um ſo verſtändiger und au8gezeichneter wird er, Und genau das Gegenteil geſchieht, wenn umgekehrt ſeine Behandlung eine \<le<te war, Der Bauernhund iſt ein roher, plumper, aber ehrliher Geſell, der Schäferhund ein verſtändiger Hirt, der Jagdhund ein vortreffliher Jäger, welcher die Kunſt der Jagd ſelbſt auf eigene Fauſt betreibt, der Hund eines vornehmen Nichtsthuers ein üppiger Faulenzer und eigentli weit ungezogener als der rohe, ungebildete des Bauern. Der Schoßhund verweihlihter Frauen iſt ein verzogenes, verzärteltes, launenhaftes und niht ſelten heimtüdiſches Geſchöpf. Jeder Hund nimmt den Ton des Hauſes an, in welchem er lebt, iſt verſtändig, wenn er bei vernünftigen Leuten wohnt, wird zum ho<hmütigen Narren, wenn ſein Herr

Erniedrigung nux ſeinem Herrn und Wohlthäter gegenüber f wedelnd und friehend, weiſt er ſofort dem eintretenden Fremden die Zähne und iſt ſich jeden Augenbli> ſeiner Stellung bewußt.

Manthe eigentümliche Sitten ſind faſt allen Arten gemein. So heulen und bellen viele den Mond an, ohne daß man dafür eigentlich einen Grund auffinden könnte. Sie werden dur< Beweguig angeregt, rennen allem, was ſchnell an ihnen vorübereilt, nach, ſeien es Menſchen, Tiere, rollende Wagen, Kugeln, Steine oder dergleichen, ſuchen es zu ergreifen und feſtzuhalten, ſelbſt wenn ſie re<t wohl wiſſen, daß es ein durchaus unnüßbarer Gegenſtand für ſie iſt. Sie ſind gegen gewiſſe Tiere im höchſten Grade feindlich geſinnt, ohne daß dazu ein ſicherer Grund vorhanden wäre. So haſſen alle Hunde die Kaßen und den Igel; ſie machen bei leßterem ſi< förmlich ein Vergnügen daraus, ſich ſelbſt zu quälen, indem ſie wütend in das Stachelkleid beißen, obgleich ſue wiſſen, daß dies erfolglos iſt und ihnen höchſtens blutige Naſen und Schnauzen einbringt.

Beachtenswert erſcheint das ſehr ſtarke Vorgeſühl des Hundes bei Veränderung Der Witterung. Ex ſucht deren Einflüſſen im voraus zu begegnen, zeigt ſogar dem Menſchen ſchon durch einen widerlichen Geruch, den er ausdünſtet, kommenden Regen an.