Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

102 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

Jn ſeinem Umgange mit Menſchen beweiſt der Hund ein Erkennungsvermögen, welches uns oft wundernehmen muß. Daß alle Hunde den Abde>er kennen lernen und mit äußerſtem Haſſe verfolgen, iſt ſicher; ebenſo gewiß aber auh, daß ſie augenbli>li< wiſſen, ob ein Menſch ein Freund von ihnen iſ oder niht. Wohl nicht zu bezweifeln dürſte ſein, daß die Ausdünſtung gewiſſer Perſonen ihnen beſonders angenehm oder unangenehm iſt; allein dies würde immer no< ni<hts für dieſen Fall beweiſen. Manche Menſchen werden, ſobald ſie in ein Haus treten, augenbli>li< mit größter Freundlihkeit von allen Hunden begrüßt, ſelbſt wenn ihnen dieſe no<h nicht vorgeſtellt worden und ganz fremd ſind. Jh kenne Frauen, welche ſih nirgends niederlaſſen können, ohne nah wenigen Minuten von ſämtlichen Haushunden umlagert zu werden. Bei dem Umgange des Hundes mit dem Menſchen kann man ſehr gut den we<ſelnden Ausdru> des Hundegeſichtes beobachten. Die hohe geiſtige Fähigkeit des Tieres ſpricht ſi< in ſeinem Geſichte ganz unverkennbar aus, und es wird wohl niemand leugnen wollen, daß jeder Hund ſeinen durhaus beſonderen Ausdru> hat, daß man zwei Hundegeſichter ebenſowenig wird verwe<ſeln können wie zwei Menſchengeſichter.

Unter ſih leben die Hunde gewöhnlih niht beſonders verträgli<h. Wenn zwei zuſammenktommen, welche ſi< niht kennen, geht's erſt an ein gegenſeitiges Beriechen, dann fletſchen beide die Zähne, und die Beißerei beginnt, falls niht zarte Rückſihten obwalten. Um ſo auffallender ſind Freundſchaften von der größten Jnnigkeit, welche einzelne, gleichge\hle<htige Hunde zuweilen eingehen. Solche Freunde zanken ſich nie, ſuchen ſih gegenſeitig und leiſten ſih Hilfe in der Not. Auch mit anderen Tieren werden manchmal ähnliche Bündniſſe geſchloſſen; ſelbſt das beliebte Sprichwort von der Beziehung zwiſchen Hund und Kaße kann zu ſchanden werden.

Der Geſchlechtstrieb iſt bei den Hunden ſehr ausgeprägt und zeigt ſi bei allen Arten als Äußerung einer heftigen Leidenſchaft, als ein Rauſch, welcher ſie mehr oder weniger närriſh macht. Wird jener nicht befriedigt, ſo kann der Hund unter Umſtänden krank werden. Dabei iſt der männliche Hund nicht ärger beteiligt als der weibliche, obgleich ſich bei dieſem die Sache in einem anderen Lichte zeigt. Die Hündin iſt zweimal im Fahre läufiſh/ zumeiſt im Februar und im Auguſt, und zwar währt dieſer Zuſtand jedesmal 9—14 Tage. Um dieſe Zeit verſammelt ſie alle männlihen Hunde niht bloß der Nahbarſchaſt um ſi, ſondern ſelbſt ſolhe, welche eine Viertelmeile und weiter von ihr entfernt wohnen. Wie dieſe von einer begattungsluſtigen Hündin Kunde bekommen, iſ geradezu unbegreiflich. Man kann niht wohl annehmen, daß ſie dur<h den Geruch ſo weit geleitet würden, und gleichwohl läßt ſih eine andere Erklärung ebenſowenig geben. Das Betragen beider Ge\{hle<hter unter ſich iſt ebenſo anziehend wie abſtoßend, erregt ebenſo unſere Heiterkeit wie unſeren Widerwillen. Der männliche Hund folgt der Hündin auf Schritt und Tritt und wirbt mit allen möglichen Kunſtgriffen um deren Zuneigung. Jede ſeiner Bewegungen iſt gehobener, ſtolzer und eigentümlicher; er ſucht ſi<h mit allen ihm zu Gebote ſtehenden Mitteln liebenswürdig zu machen. Dahin gehören das Beſhnuppern, das freundliche Anſchauen, das ſonderbare Aufwerfen des Kopfes, die wirklih zärtlihen Bli>ke, das bittende Gekläff und dergleihen. Gegen andere Hunde zeigt er ſi<h mißgelaunt und eiferſüchtig. Finden ſich zwei gleich ſtarke auf gleihem Wege, ſo gibt es eine tüchtige Beißerei; ſind mehrere vereinigt, ſo geſchieht dies niht, aber nur aus dem Grunde, weil alle übrigen männlichen Hunde ſofort auf ein paar Zweikämpfer losſtürzen, tüchtig auf ſie hineinbeißen und ſie dadurch auseinander treiben. Gegen die Hündin benehmen ſi alle glei liebenswürdig, gegen ihre Mitbewerber gleich abſcheulih, und deshalb hört auh das Knurren und Kläffen, Zanken und Beißen niht auf. Die Hündin ſelbſt zeigt ſih äußerſt ſpröde und beißt beſtändig nah den ſih ihr nahenden Bewerbern, knurrt, zeigt die Zähne und ift ſehr unartig, ohne jedoh dadurch die hingebenden Liebhaber zu erzürnen oder zu beleidigen. Endlich