Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Haushunde: Erkennungsvermögen. Fortpflanzung. Erziehung. 103

ſcheint ſie doh mit ihnen Frieden zu ſchließen und gibt ſi< den Forderungen ihres natür: lichen Triebes hin. Sie lebt in Vielmännigkeit. Sobald die Laufzeit vorüber iſt, ſind alle Hunde, wenn auch nict gleichgültig, ſo doh weit weniger für den Gegenſtand ihrer ſo heißen Liebe eingenommen. Doh bewahren Hund und Hündin die Erinnerung an ihre erſte Liebe oft mit überraſchender Treue; es kommt auch vor, daß Hündinnen no< im reiferen Alter Junge werfen, welche ihrem erſten Liebhaber täuſchend ähnlich ſind. Engliſche Hundezüchter wiſſen dies wohl zu verwerten und nehmen ſich ſorgfältig in acht, eine junge Hündin mit einem ihr an Schönheit und Tugend nicht ebenbürtigen Hunde zuſammenzubringen.

Die Hündin wölft 63 Tage nach der Paarung an einem dunkeln Orte 3—10, gewöhnlih 4—6, in äußerſt ſeltenen Fällen aber 20 und mehr Junge, welche ſhon mit den Vorderzähnen zur Welt kommen, jedo<h 10—12 Tage blind bleiben. Die Mutter liebt ihre Kinder über alles, ſäugt, bewahrt, bele>t, erwärmt, verteidigt ſie und trägt ſie nicht ſelten, mit ihren Zähnen ſanft die ſchlaffe Haut des Halſes faſſend, von einem Orte zum anderen. Jhre Liebe zu den Sprößlingen iſt wahrhaft rührend: man kennt Geſchichten, welche niht nux unſere vollſte Hochachtung, ſondern unſere Bewunderung erregen müſſen. So erzählt Bechſtein eine Thatſache, welche faſt unglaublihh ſcheint. „Ein Schäfer in Waltershauſen faufte regelmäßig im Frühjahre auf dem Cichsfelde Schafe ein, und ſeine Hündin mußte ihn natürlich auf dem 18 Meilen weiten Geſchäft3wege begleiten. Einſt kam dieſ elbe in der Fremde mit ſieben Jungen nieder, und der Schäfer war genötigt, ſie deshalb zurüczulaſſen. Aber ſiehe, anderthalb Tage nach ſeiner Rükehr zu Hauſe findet er die Hündin mit ihren ſieben Jungen vor ſeiner Hausthür. Sie hatte ſtre>enweiſe ein Hündchen nah dem anderen die weite Reiſe fortgeſchleppt und ſo den langen Weg dreizehnmal zurü>kgelegt und, troß ihrer Entkräftung und Erſchöpfung, das überaus ſ{<hwere Werk glücklich beendet.“

Man ſagt, daß die Hundemutter unter ihrem Gewölfe immer einige bevorzugte Lieblinge habe, und daß man genau zu erkennen vermöge, welcher Hund eines Gewölfes der vorzüglichſte ſein werde, wenn man der Hündin ihre ſämtlichen Jungen wegtrage und dann beobacte, welches von ihren Kindern ſie zuerſt aufnehme und nach ihrem alten Lager zurü>bringe. Dieſer Erſtling ſoll, wie man verſichert, immer der vorzüglichſte Hund ſein. Wahrſcheinlich iſt dieſe Annahme niht begründet; denn ſie liebt alle ihre Kinder mit gleicher Zärtlichkeit.

Einer Hündin läßt man in der Regel nur 2—3, höchſtens 4 Junge von ihrem Gewölfe, um ſie niht zu ſehr zu ſchwächen. Die kleinen Geſellen brauchen viel Nahrung, und die Alte iſt kaum im ſtande, ihnen das Erforderliche zu liefern. Daß der Menſch als Schußherr des Tieres eine ſäugende Hündin beſonders gut und kräftig füttern muß, braucht wohl nicht erwähnt zu werden. Jeder Hundebeſißer ma<ht der Hundemutter ſhon im voraus in einer ſtillen Ee, an einem lauen Orte, ein weiches Lager zureht und iſt ihr dann in jeder Weiſe behilflich, ihre Kinder aufzuziehen. Solange die Hündin ſäugt, ſcheint ihr Herz einer umfaſſenden Liebe fähig zu ſein, deshalb duldet ſie es auch, wenn man ihr fremde Hunde, ja ſogar andere Tiere, wie Kaßen und Kaninchen, anlegt. Jh habe legteres oft bei Hunden verſucht, jedo< bemerkt, daß ſäugende Kazen noch viel freundlicher gegen Pflegekinder waren als die Hundemütter, welche bei aller Herzensgüte ein Zuſammenrunzeln der Naſenhaut ſelten unterdrücken fonnten. Jndeſſen bewähren ſie ſi vortrefſlih als Löwen- und Tigerammen.

Gewöhnlich läßt man die jungen Hunde ſe<s Wochen lang an der Alten ſaugen. Ft ſie noh fräftig und wohlbeleibt, ſo kann man auc noh ein paar Wochen zugeben; es kann dies den Jungen nur nüßen. Wenn man dieſe entwöhnen will, füttert man die Alte einige Zeitlang ſehr mager, damit ihr die Milch ausgeht; dann duldet ſie ſelbſt niht, daß ihre Jungen noch länger an ihr ſaugen. Nunmehr gewöhnt man leßtere an leichtes Futter und hält ſie vor allen Dingen zur Reinlichkeit an. Schon im 3. oder 4. Monate wechſeln ſie ihre erſten Zähne: im 6. Monate bekümmern ſie ſi< niht viel mehr um die Alte; nach