Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

140 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

iſt oder niht. Wie will er ihn zwi>en und beißen, wie unwiderſtehlih auf den Leib rü>en,/ wie feſt ihn belagern, wie ſicher ihn austreiben! Endlich am Ziele ſeiner heißen Wünſche, le>t er no< im Fluge dankbar die Hand des ihm Gewährenden, kriecht eilig in den Bau und arbeitet mit Bellen und Kragen, daß ihm der Atem zu vergehen droht. Das glatte ſchöne Fell beſtäubt und eingeſandet, Augen, Naſenlöcher und Lippen mit Shmuträndern umgeben, die Zunge dürr und {<laff, erſcheint er vor dem Baue, um friſche Luft zu {höpfen: aber nur auf Augenbli>e; denn flugs geht es von neuem in die Röhre, und dumpfer und dumpfer dringt ſein lebendiges „Hau, Hau“ bis zum Eingange herauf. Hat er ſih endlih bis zu dem zu Bau gefahrenen Dachſe oder Fuhſe durchgearbeitet, ſo gibt es für beide kaum no Verteidigung. Ob auch der erſte mit Gebiß und Pranke drohe, ob er ſi zu vertlüften ſuche, ob der leßtere zum Kampfe ſi<h ſtelle: ſol< ungeſtümen Anprall, fſolher zähen Beharrlihkeit, ſolhem Kampfesmute widerſteht auf die Länge weder Grimbart no< Reineke. Heraus an das Tages licht müſſen ſie beide.

Nicht minder eifrig betreibt der Dachshund ſeine Jagd im Freien. Mit Weidmannsluſt gedenke ih wiederholter Fagden in den heſſiſhen Bergen. Klangvoll ertönt das Geläute der jagenden Dachsmeute, bald näher, bald ferner, bald verſtummend, bald von neuem aufjauchzend, je nahdem der bedrohte Haſe, der ſ<laue Fuchs, das unwillig vor den leinen Quälgeiſtern flühtende Reh ſi<h wendet und kehrt. Mit geſpannteſter Aufmerkſamkeit lauſcht man auf den Gang des Treibens, auf den erſten Shuß; mit wahrem Vergnügen folgt man mit Ohr und Auge den waeren krummbeinigen Gehilfen, welche jeden Buſch, jede Hede durchſtöbern und zehnmal eine Stre>e dur<hſuchen, um ja nichts zu überſehen. Und wenn die Dächſel vollends, wie hier die Regel, nah beendetem Treiben zu ihren Führern zurüfehren und ſi feſſeln laſſen, vergibt man ihnen gern alle Unarten, das Anſchneiden des von ihnen abgefangenen, verwundeten oder aufgefundenen verendeten Wildes, das wütende Zerzauſen des wertvollen Fu<hspelzes, das ſtre>enweiſe Überjagen, ihre Streitluſt, Zankſucht, ihre Mißgunſt und ihren Neid auf andere Hunde und fonſtige unliebſame Eigenſchaften mehr. Beruhen dieſe ja doh zum größten Teile auf unbändigem FJagdeifer, kaum oder niht zu zügelnder Weidluſt.

Wie neidiſ<h Dachshunde ſein können, erfuhr ih an einem, welchen mein Vater beſaß. Der Hund war ein abgeſagter Feind aller übrigen Geſchöpfe, welche ſih auf unſerem Hofe befanden. Er lebte mit keinem Tiere in Frieden, und am meiſten ſtritt er ſih mit einem Pintſcher herum, deſſen erbärmliche Feigheit ihm freilih regelmäßig den Sieg ſicherte. Nur wenn ſih beide Hunde ineinander verbiſſen hatten, hielt auh der Pintſcher ihm ſtand, und dann fam es vor, daß ſie, förmlih zu einem Knäuel geballt, niht bloß über die Treppen, ſondern auh von da über eine Mauer hinabrollten, ſih über die Gartenbeete fortwälzten und nun in Purzelbäumen den ganzen Berg hinunterkollerten, aber doch ihren Kampf nicht eher einſtellten, als bis ſie im günſtigeren Falle von dem Zaune aufgehalten, im ungünſtigeren Falle aber dur< das Waſſer des Baches, in welchen ſie oft miteinander fielen, abgekühlt wurden. Dieſer Todfeind ſollte einmal die Arznei für den erkrankten Däthſel werden. Letterer lag elend da und hatte ſhon ſeit Tagen jede Nahrung verſhmäht. Vergeblich waren die bisher angewandten Hausmittel geblieben: der Hund näherte ſich, ſo ſchien es, ſ<hnell ſeinem Ende. Jm Hauſe herrſchte trog des Gedenkens an ſeine vielen unliebenswürdigen Eigenſchaſten tiefe Betrübnis, und namentlich meine Mutter ſah ſeinem Hinſcheiden mit Kummer entgegen. Endlich kam ſie auf den Gedanken, noch eineu Verſuch zu machen. Sie brachte einen Teller voll des le>erſten Freſſens vor das Lager des Krankten. Er erhob ſi, ſah mit Wehmut auf die ſaftigen Hühnerknochen, auf die Fleiſhſtü>chen: aber er war zu {wach, zu krank, als daß er ſie hätte freſſen können. Da brachte meine Mutter den anderen Hund herbei und gebot dieſem, den Teller zu leeren. Augenbli>lih erhob ſih der