Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Neufundländer. Bernhardinerhund. 153

muß man darauf ſehen, ſeine natürlihen Begabungen bei der Abrichtung auszubilden, um das Tier zu dem in ſeiner Art vollkommenſten zu machen. Der Neufundländer iſt der beſte aller Waſſerhunde; das Waſſer ſcheint ſein eigentli<h heimiſches Element zu ſein. Er ſ{hwimmt leidenſhaftlih gern und mit der größten Leichtigkeit, taucht wie ein Seetier und fann ſtundenlang im Waſſer aushalten. Einmal fand man einen dieſer Hunde in einer weiten Meeresbucht, Meilen vom Lande entfernt, und mußte wohl annehmen, daß er viele Stunden lang im Meere herumgeſ<hwommen war. Dem Neufundländer iſt es volllommen gleichgültig, in welher Weiſe er ſ<hwimmen muß; denn er geht ebenſogut gegen den Strom oder Wellenſchlag als mit beiden. Dhne irgendwelche vorau3gegangene Abrichtung holt er unermüdlih jeden Gegenſtand aus dem Waſſer, ſelbſt bei der ſtrengſten Kälte, und bringt ihn ſeinem Herrn. Der Menſch kann ihm überhaupt niht mehr Vergnügen bereiten, als wenn ex ihm Gelegenheit gibt, ſi< viel im Waſſer aufzuhalten. Geht man mit ihm ins Waſſer, ſo erhöht man ſein Vergnügen no< bedeutend. Der Hund ſcheint außer ſih vor Freude zu ſein, daß au< der Menſch gleich ihm mit dem Waſſer vertraut iſt, und bemüht ſich nach Kräften, dieſe Freude an den Tag zu legen. Er ſhwimmt bald vor ſeinem Herrn, bald hinter ihm her, taucht unter ihm weg, thut, als wolle ex ihn ein Stückchen tragen oder ſtüßen, furz, ſpielt förmlih im Waſſer. Und wenn endlich der Herr ermüdet ſi<h nah dem Uſer wendet, bemüht ſich der Hund, ihn no< zum neuen Wettſhwimmen aufzufordern.

Dieſe außerordentliche Befähigung des Neufundländers für das Waſſer macht ihn zu einem ſehr nüßlichen Tiere; man kennt viele Beiſpiele, daß durch ihn ertrinkende Menſchen gerettet worden ſind. Jn Ortſchaften, welche in der Nähe tiefer Gewäſſer liegen, macht er ſih als unübertreſſliher Kinderwärter ſehr verdient. Man darf dreiſt das kleinſte Kind ſeiner Wachſamkeit und Treue anvertrauen, weil man ſicher iſt, daß dem Kinde, ſolange der Hund ſi bei ihm befindet, niht das geringſte Leid geſchieht. Zu dieſen vortrefflichen Eigenſchaften kommt noch ſeine große Gutmütigkeit und Sanſtheit ſowie ſeine Dankbaxrkeit für empfangene Wohlthaten; — ebenſo bewahrt ex freilih au< erlittene Unbill und Strafe in ſeinem Gedächtnis und wird Leuten, welche ihn mit Abſicht quälen, manchmal gefährlich.

Jn Neufundland wird das edle Tier niht immer gut behandelt. Man ſpannt es vor einen feinen Wagen oder Schlitten, läßt es Holz ſ{hleppen und beladet ſeinen breiten Rü>en mit Eſelsbürden, nährt es vielfah au<h nur mit erbärmlichem Futter, mit alten, halbverfaulten oder verdorbenen Fiſchen und dérgleichen. Da iſt es denn kein Wunder, wenn ſich die ſchönen Tiere auh manhmal vergehen, indem ſie die Herden überfallen und ſonſtwie Schaden anrichten. Außer zu jenen Arbeiten benußt man ſie in Neufundland au<h noh zur Vertreibung des Wolfes und zwar mit dem beſten Erfolge, weil das ſtarke Tier jenen feigen und erbärmlichen Räuber mit leihter Mühe bewältigt und gewöhnlih im Kampfe totbeißt. Gegen andere Hunde benimmt ſich der Neufundländer mit Würde und läßt ſich erſtaunlich viel gefallen; doh ſpielt ex den kleinen Kläffern, wenn es ihm zu bunt wird, manchmal übel mit.

Mit dem Neufundländer hat der Bernhardinerhund (Canis familiaris extrarius st, bernardi, Abbildung S. 151) Ähnlichkeit. „Die Bernhardiner Hunde“, ſagt Tſchudi, „ſind große, langhaarige, äußerſt ſtarke Tiere, mit kurzer, breiter Schnauze und langem Behange, vorzüglich ſcharfſinnig und treu. Sie haben ſi<h durch vier Geſchlechter rein fortgepflanzt, ſind aber jeßt niht mehr rein vorhanden, nachdem ſie bei ihrem treuen Dienſte dur< Lawinen umgekommen ſind. Eine nahverwandte Naſſe wird nahgezogen und ein junges Tier oft recht teuer verkauft. Die Heimat dieſer edlen Tiere iſt das Hoſpiz des St. Bernhard, 2472 m über dem Meere, jener traurige Gebirgsſattel, wo in der nächſten