Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

160 Vierte Ordnung: Naubtiere; fünfte Familte: Hunde.

Wenden wir unſere Aufmerkſamkeit einer anderen, ſehr merkwürdigen Gruppe zu, den Pintſchern (Canis familiaris gryphus) nämli<h. Mehrere Naturforſcher zählen ſie noch zu der vorigen Abteilung, und in der That haben wenigſtens einige wegen ihres Haarfleides und der Bildung der Schnauze, der Ohren und des Schwanzes, wegen ihrer Gutmütigkeit und Treue, ihrer Munterkeit und Spielluſt vieles mit dem Pudel gemein; der Bau des Schädels und des Gerippes weicht jedo< entſchieden ab und läßt ſie als eigentümliche Hunde erſcheinen. Man unterſcheidet hauptſählih die glatthaarigen und ſtihelhaarigen oder die Ratten- und Affenpintſcher. Erſtere ähneln in ihrem Geſamtbaue dem Dachshunde, unterſcheiden ſi< von ihm aber durch die höheren und geraden Beine und die ganz aufrecht ſtehenden oder nur mit der Spige überhängenden Ohren. Die meiſten ſind dunkelfarbig; gefle>te kommen ſchon ſeltener vor. FJhr Körper iſt ziemlih ſ{lank, der Kopf ſtark die Schnauze lang und gerade abgeſtumpft, der Schwanz, welcher nah rü>wärts oder vorwärts gekrümmt getragen wird, glatt, die Beine ſind mittelho< und gerade. Fn der Jugend ſ<neidet man den Pintſchern gewöhnlih den Shwanz und die Ohren ab und verhäßlicht hierdur< die Tiere in unverantwortliher Weiſe.

Alle Pintſcher ſind äußerſt kluge, höchſt muntere und über alle Maßen jagdbegierige Hunde. Sie fangen mit der größten Liebhaberei Ratten, Mäuſe, auſwühlende Maulwürfe und ſind geradezu unermüdlich in der Verfolgung dieſer Tiere. Als Hausgenoſſe des Menſchen können ſie niht immer empfohlen werden, weil ſie wegen ihrer ſteten Unruhe ihrem Herrn oft mehr Verdruß als Freude machen; dagegen eignen ſie ſih vortrefflich für Leute, welche reiten oder mit {nellen Pferden fahren: denn am allerliebſten begleitet der Pintſcher ſeinen Herrn, wenn er tüchtig rennen und laufen muß. Doh ſelbſt bei den ſchnellſten Ritten macht er ſi< no< immer Zeit, jedes Mauſeloh zu unterſuhen und jeden Maulwurf im Aufwerfen ſeiner Haufen zu ſtören. Die Naſe hoh gegen den Wind getragen, ſpäht er nah allen Seiten hin, und wo etwas raſchelt, naht er ſih vorſichtig und leiſe, ſteht eine Zeitlang unbeweglich, thut plößlih einen Sprung, ſ{lägt mit den Vorderfüßen in die Erde und hat im nächſten Augenbli>e das unterirdiſh lebende Geſchöpf im Maule. Genau auf die: ſelbe Weiſe jagt er Maulwürfe und zwar mit ſolchem Eifer, daß er bei einem längeren Spaziergange, wie Lenz ſagt, regelmäßig 4—5 und zuweilen 14 und mehr Stück fängt. Die Maulwürfe frißt er niht, ſondern begräbt ſie; von den Mäuſen dagegen frißt er ſo viel, bis er vollkommen geſättigt iſt, die übrigen wirft er weg.

Die Fähigkeit im Fangen von Ratten hat die Aufmerkſamkeit der Engländer beſonders auf ihn gezogen, und ſo ſind ſie ſrühzeitig darauf verfallen, große Nattenjagden abzuhalten und dabei ihre Hunde in Thätigkeit zu ſeßen. Damit die Sache doh au< nach etwas Klang hat, werden dabei außerordentlih hohe Wetten gemacht, und das Vergnügen bekommt hierdur das Gepräge des Glüfſpiels. Jn einigen verrufenen Stadtvierteln Londons gibt es förmliche Kampfbühnen für dieſe Ratten: Sandpläße, ringsum mit Planken umhegt, hinter denen die Zuſchauer ſich auſſtellen. Jhr Beſiber gehört regelmäßig den unterſten Volks[{<hichten an und empfängt von den Zuſchauern außer einem gewiſſen Eintrittsgelde auh noh eine Summe für jeden Nattenkopf. Sobald ſich eine Anzahl von Zuſchauern geſammelt hat, bringt er ſeine Nattenkäfige herbei und läßt die Tiere laufen. Es gibt zunächſt ein unerhörtes Durcheinander; die unglü>ſeligen Ratten durſtöbern den ganzen Raum des Sandplages, in der Hoffnung, einen Ausweg zu finden, rennen ſhre>erfüllt aneinander und gebärden ſih, als empfänden ſie eine Vorahnung ihres gräßlihen Endes. Sobald ſie ſh einigermaßen beruhigt haben, bringt der Vorſteher der Arena die Pintſcher herbei und läßt ſie laufen. Und nun beginnt ein Schlachten und Morden ohnegleichen. Wood berichtet, daß er einen dieſer Hunde gekannt habe, welcher unter dem Namen Tiny wahrhaft berühmt geworden iſt: er wog kaum 2,5 kg und war gleihwohl der allerärgſte Feind der Ratten,