Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Esfkimohund: Stellers Schilderung. 169

Fiſche, wel<he man in Gruben verwahrt und verſäuern läßt, weil auf Kamtſchatka nichts ſtinkend wird (denn wenn auch die Ftelmen und Koſaken ſolche Fiſche mit großem Appetite verzehren, die wie Aas ſtinken, bei welchen ein Europäer in Dhnmatht fallen oder die Peſt beſorgen möchte, ſprechen ſie, es ſei gut ſauer, und pflegen daher zu ſagen, daß in Kamtſchatka nichts ſtinke). Dieſe ſauern Fiſche werden in einem hölzernen Troge mit glühenden Steinen gekocht und dienen ebenſowohl zur Speiſe der Menſchen als zum Hundefutter. Die Hunde werden zu Hauſe, wenn ſie ausruhen, oder auf der Reiſe des Abends, wenn ſie die Nacht über ſchlafen, mit dieſen Fiſchen allein gefüttert; denn wenn man ſie des Morgens damit füttert, werden ſie von dieſen Le>kerbiſſen ſo weihlih, daß ſie auf dem Wege ermüden und nur Schritt für Schritt gehen können. Das andere Futter beſteht in tro>ener Speiſe, von verſchimmelten und an der Luft getro>neten Fiſchen. Damit füttert man ſie des Morgens, um unterwegs ihnen Mut zu machen. Weil nun das meiſte daran Gräten und Zähne, die Hunde aber mit der größten Begierde darüber herfallen, verrichten fie mehrenteils die Mahlzeit mit einem blutigen Maule. Übrigens ſuchen ſie ſih ſelber Speiſe auf und ſtehlen grauſam, freſſen Riemen und ihrer Herrn eigne Reiſekoſt, wo ſie dazu kommen können, ſteigen wie Menſchen auf den Leitern in die Balagans oder Wohnungen und plündern alles, ja, was das Lächerlichſte: niemand iſt im ſtande, ſeine Notdurft zu verrichten, ohne immer mit einem Prügel um ſi zu ſ{hlagen. Sobald man ſeine Stelle verläßt, ſucht einer den anderen unter vielem Beißen um das Depoſitum zu übervorteilen. Demungeachtet frißt kein kamtſchatkiſher Hund Brot, wäre er auh noch ſo hungerig. Dabei ſind die kamtſchatkiſchen Hunde ſehr leuteſheu, unfreundlich, fallen keinen Menſchen an und bekümmern fih niht im geringſten um des Herrn Güter, gehen au<h auf kein Tier oder Wild, aber ſtehlen, was ſie bekommen, ſind ſehr furhtſam und ſhwermütig und ſehen ſih beſtändig aus Mißtrauen um, ſie mögen thun, was ſie wollen. Sie haben nicht die geringſte Liebe und Treue für ihren Herrn, ſondern ſuchen denſelben allezeit um den Hals zu bringen; mit Betrug muß man ſie an die Schlitten ſpannen. Kommen ſie an einen ſ{limmen Ort, an einen ſteilen Berg oder Fluß, ſo ziehen ſie aus allen Kräften, und iſt der Herr genötigt, um niht Schaden zu nehmen, den Schlitten aus den Händen zu laſſen, ſo darf er ſich nicht einbilden, ſolchen eher wiederzuerhalten, bis ſie an einen Ruheplay kommen, es ſei denn, daß der Schlitten zwiſchen den Bäumen ſte>en bleibt, wo ſie jedo<h keine Mühe ſparen, alles in Stücke zu zerbrechen und zu entlaufen. Woraus man ſieht, wie ſehr die Lebensart unvernünftige Tiere verändert, und welchen großen Einfluß ſie auf die Hundeſeele hat. „Man kann ſih niht genug über die Stärke der Hunde verwundern. Gewöhnlich ſpannt man nurx vier Hunde an einen Schlitten; dieſe ziehen drei erwachſene Menſchen mit 1/2 Pud (245 kg) Ladung behende fort. Auf vier Hunde iſt die gewöhnliche Ladung 5—6 Pud (82—98 kg). Ungeachtet nun die Reiſe mit Hunden ſehr beſchwerlich und gefährlich iſt, und man faſt mehr entfräftet wird, als wenn man zu Fuße ginge, und man bei dem Hundeführen und Fahren ſo müde wie ein Hund ſelber wird, ſo hat man doh dabei dieſen Vorteil, daß man über die unwegſamſten Stellen damit von einem Orte zum anderen kommen fann, wohin man weder mit Pferden noch, wegen des tiefen Schnees, ſonſt zu Fuße kommen könnte. Sie ſind außer dem Ziehen gute Wegweiſer und wiſſen ſi< auch in den größten Stürmen, wo man kein Auge aufmachen kann, zure<ht und nah den Wohnungen zu finden. Sind die Stürme ſo hart, daß man liegen bleiben muß, was ſehr oft geſchieht, ſo erwärmen und erhalten ſie ihren Herrn, liegen neben ihm ruhig und ſtill; man hat ſih unter dem Shhnee um nichts zu bekümmern, als daß man nicht allzutief vergraben und erſtidet werde. Oft kommt es vor, daß ein Sturm einige Tage, ja eine ganze Woche fortwähret. Die Hunde liegen während dieſer Zeit beſtändig ſtill, wenn ſie aber die äußerſte Hungersnot treibt ſo freſſen ſie Kleider und alle Riemen vom Schlitten ab, und man kann ſich nicht