Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Esfkimohund: Schlittenfahrt. Unentbehrlichkeit. 171

die Grube, ſo lange und ſo viel, bis ſie von nihts anderem wiſſen, des Ziehens gewohnt werden und eine weite Reiſe verrichtet haben. Alsdann werden ſie unter den Wohnungen neben andere gebunden und erhalten als Ausftudierte im Sommer ihre Freiheit. Aus dieſer Erziehung ſind hernach ihre mores herzuleiten. Der größte Verdruß bei der Hundefahrt iſt der, daß ſie, ſobald ſie angeſpannt werden, den Kopf gegen den Himmel erheben und erſhre>lih zu heulen und zu wehklagen anfangen, nicht anders, als wenn ſie den Himmel wegen ihrer harten Umſtände anrufen wollten. Sobald ſie aber in das Laufen kommen. ſ<hweigen ſie auf einmal alle ill. Darauf geht der andere Verdruß an, daß einer um den „ anderen zurü>ſpringt, ſeine Notdurft verrichtet, und während ſie dieſe Zeit ausruhen, fo brauchen ſie hierin die Liſt, daß allezeit einer nah dem anderen ſeine Notdurft verrichtet, au< wohl man<mal nur halb, und geben ſie öfters umſonſt dieſes Geſchäft vor. Kommen ſie an Ort und Stelle, ſo liegen ſie ermüdet da, als wenn ſie tot wären.

„Diejenigen Hunde aber, welche die Kamtſchadalen zur Haſenz-, Zobel-, Fuchs- und Mufflonjagd abrichten, füttern ſie öfters mit Krähen, die man in Überfluß hat, wovon ſie den Geru<h bekommen und nach dieſen wie nah allem Wild und Vögeln laufen. Mit ſolhen Hunden treiben die Kamtſchadalen im Juli Enten, Gänſe und Schwäne, wenn ſie in die Felder fallen, und au< in den großen Fnſeln in ziemliher Menge zuſammen.“

Fm übrigen Sibirien werden die Hunde etwas beſſer behandelt. „Der ſibiriſhe Hund“, ſagt F. von Wrangel, „hat auffallende Ähnlichkeit mit einem Wolfe, ſein Gebell gleicht ganz deſſen Geheul. Fm Sommer bringt er, um gegen Stechſliegen in Sicherheit zu ſein, die größte Zeit im Waſſer zu, im Winter hat er ſein Lager tief im Schnee. Das vollſtändige Geſpann eines Schlittens beſteht aus zwölf Köpfen. Ein beſonders gut abgerichteter Hund befindet ſi< an der Spitze und leitet die übrigen. Hat dieſes Tier nur ein einziges Mal einen Weg zurü>gelegt, ſo erkennt es niht nur aufs genaueſte die zu nehmende Richtung, ſondern auch die Orte, wo man zu verweilen pflegt, ſelbſt wenn die Hütten tief unter dem Schnee verborgen ſind. Er hält plöglih auf der gleihförmigen Oberfläche ſtill, wedelt mit dem Schwanze und ſcheint dadurch ſeinen Herrn einzuladen, die Schaufel zu ergreifen, um den engen Gang in die Hütte zu finden, welche einen Raſtort gewähren ſoll. Fm Sommer muß derſelbe Hund Boote ſtromaufwärts ziehen; hindert ihn ein Felſen, weiter vorwärts zu gehen, ſo ſtürzt er ſi< ins Waſſer und ſet ſeinen Weg am anderen Ufer fort. Dafür werden ihm tägli<h zehn halbverfaulte Heringe als Futter gereicht!

„Der Hund iſt den Sibiriern unentbehrlih, Als im Jahre 1821 eine Seuche unter den Tieren wütete und eine jukagiriſhe Familie alles verlor, mit Ausnahme von zwei ganz kleinen Hunden, welche noh niht ſehen konnten, da teilte die Hausfrau ihre eigene Milch zwiſchen dieſen beiden Hündchen und ihrem Kinde und hatte die Freude, daß dieſe beiden Hunde die Stammeltern einer ſehr ſtarken Raſſe wurden. Jm Jahre 1822 waren die Einwohner am Kolymafluſſe, nahdem ſie ihre meiſten Hunde dur die Seuche eingebüßt hatten, in die traurigſte Lage verſet. Sie mußten ihr Brennholz ſelbſt herbeiſhleppen; dabei fehlte ihnen ſowohl Zeit als Kräfte, die an verſchiedenen, weit entfernten Orten gefangenen Fiſche nah Hauſe zu bringen. Endlich waren ſie gezwungen, während aller dieſer Arbeiten, welche äußerſt langſam von ſtatten gingen, die Jagd der Vögel und Pelztiere faſt ganz zu verabſäumen. Eine fur<htbare Hungersnot, welche viele Menſchen hinraſſte, war die Folge des Mangels an Hunden, welche hier nie erſeßzt werden können, weil es bei dem rauhen Klima und kurzen Sommer ganz unmöglich iſt, das nötige Futter für die Pferde anzuſchaffen, und endlih, weil der Hund ganz flüchtig über den Schnee hinwegläuft, wo das ſ<were Pferd beſtändig verſinken würde.“

Die nordamerikaniſchen Pelzjäger ſäßen ihre Hunde, die man am liebſten von der reinen Esfimoraſſe züchtet, ebenfalls ſehr ho< und behandeln demgemäß ihre getreuen und