Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Fuchs: Aufenthalt. Raubweiſe. 177

mir Eugen von Homeyer, „erlegte eine alte Füchſin auf dem Wege zu ihren Jungen, welche ein ganzes Bündel faſt flügger Kiebiße den leßteren zutrug und in ihrem Magen nihts hatte als eine Maus. Sie lebt, wie i< anderweitig erfuhr, auch in dieſer Zeit faſt aus{chließli<h von Mäuſen, während ſie ihre Sprößlinge mit größerem Wilde verſorgt. So fand ih in einem Baue zwei Haſen, ein friſches, aber bereits angeſhnittenes NRehkalb, eine alte Wildente und ein Entenei. Mehr als 20 Haſengerippe lagen in der Nähe.“

So arg treibt es der männliche Fuchs wohl nie, geht ſogar mit Vorliebe allerlei Kleinwild nah und liebt nur einige Abwechſelung. Jn großen Gärten und Weinbergen iſt er ſicherlih ein viel häufigerer Gaſt, als man gewöhnli<h glaubt. Fn beiden fängt er Heuſ<re>en, Maikäfer und deren Larven, Regenwürmer 2c. oder ſucht ſüße Birnen, Pflaumen, Trauben und andere Beeren zuſammen. An dem Bache lungert er umher, um eine ſchöne Forelle oder einen dummen Krebs zu überraſchen; am Meeresſtrande frißt er den Fiſchern die Nee aus; im Walde entleert er den Dohnenſtieg der Jäger. Kerfe aller Art: Käfer, Weſpen, Bienenlarven, Fliegen und dergleichen, zählen im Sommer wohl zu ſeinen regelmäßigen Gerichten. So kommt es, daß ſeine Tafel faſt immer gut beſtellt iſt und er nur dann in Not gerät, wenn ſehr tiefer Schnee ihm ſeine Jagd beſonders erſhwert. Dann iſt ihm alles Genießbare ret, niht allein Aas, welches ex überhaupt und zu jeder Jahre8zeit angeht und, wie viele Hunde, re<t gern zu freſſen ſcheint, ſondern auch ein alter vertro>ncter Knochen, ſelbſt ein Stü> halbverfaultes Leder; gern beſucht ex auh die Lager- und Feuerpläße der Holzhauer, um dort Überreſte der Mahlzeiten aufzuleſen. Mit der gefangenen Beute ſpielt ex, falls er halbwegs geſättigt iſt, lange und grauſam vor dem Erwürgen.

Es würde ſelbſt den Raum unſeres Buches überſchreiten, wollte i< alle die Liſten und Verſtellungskünſte hier wieder erzählen, welhe man ihm bei Beobachtung ſeiner Fagdausflüge nah und nach abgeſehen hat; von denen, welche er überhaupt zur Anwendung bringt, gar niht zu reden. Nicht allein die Tierfabel, ſondern auch die Tiergeſchichte führen deren in Menge auf, und viele von ihnen haben bis zum heutigen Tage noh niht allen Glauben verloren, ſo wenig wahrſcheinli<h ſie auh ſind. „Jt ein liſtiges boßhafſtiges, fürwißiges, und ſtin>endes Thier“, ſagt der alie Gesner, „er kehrt den Ygel fein ſahte umb, und beſeiht jhm den Kopf, wovon dann der Jgel erſti>t. Den Haſen betreugt er mit Scherß, umb mit jhm ze ſpielen: Die Vögel damit, indem er ſi< beſudlet, und als ob er todt wäre, auf den Waſen ſtre>t, dadur< er dann die Vögel zu ſich, als zu einem Aaß lo>t, und ſie hernach erfaſſet, gleih als wie man die Vögel in einer Kluppen fahet, dann er iſt ein gemeiner Feind alles Gevögels3: Die kleinen Fiſchlein fängt er mit ſeinem Schwanßt, den er in das Waſſer hängt, und ſo ſich die Fiſchlein darein verbergen, zeuht er ſie herauß, ſchüttelt den Schwanßt, und lebt wol umb eine kleine Derte oder Zeche. Hierzu kompt jhm der Shwanß gar wol, welchen er anſtatt der Reuſen und Garnen braucht: Derjenigen Liſt zu geſhweigen, deren er ſi< bey den Bienen und Wäſpen gebrauchet, damit er das Honig und Waben ja unverleßt freſſe 2c.“ Solche und ähnliche Geſchihten werden noch heutigestags erzählt und von nicht wenigen als bare Münze genommen. Ein Körnlein Wahrheit iſt auch in ihnen zu finden: die Thatſache, daß der Fuchs auh Tiere, welche ihm leicht zu entrinnen vermögen, ebenſogut zu erliſten weiß als langſames und täppiſhes Wild. „Daß unſer Raubritter“, ſ<hreibt E. von Homeyer ferner, „alte Vögel greift, iſt unzweifelhaft; es erſcheint mir jedo<h auh wahrſcheinlih, daß die alten Schilderungen der Art und Weiſe, wie er es anſtellt, ſolche zu überliſten, teilweiſe rihtig ſind. Wenn der Fuchs, um ſih zu ſonnen, auf einer Waldblöße liegt verſammeln ſi< Krähen in immer wachſender Anzahl unter ſtetem Lärm und rü>en dem Fuhſe, welcher regungslos daliegt, allmählich näher, bis ein ſicherer Sprung des Totgeglaubten einen der Schreier zum Opfer fordert. Mein Vater hörte einmal im Mai, ehe es noch junge Krähen gab, von fern anhaltendes Schreien der Krähen

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. II. 12