Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

186 Vierte Ordnung: Raubtiere, fünfte Familie: Hunde.

„Nicht lange dauerte es, ſo machte ihm die ganze Geſellſchaft des Bärenzwingers ihre Aufwartung. Es ſah unendlich komiſh aus, wie die vier zottigen Beſtien mit keineswegs Gutes verheißenden Bli>en im geſchloſſenen Halbkreiſe den in die Ede gedrü>ten, <hmäthtigen Ankömmling begu>ten und ihm immer näher auf den Leib rückten. Beim Fuhſe war keine beſondere innere Erregung ſichtbar. Er ſchaute ſeinen Gegnern ruhig ins Geſicht, und als endli< einer derſelben ſeine Schnauze etwas weiter vorwagte als die anderen, hatte er auh ſchon eine blutige Naſe gekriegt. Da zeigte ſi< nun re<t, wie nur der Schade die Mutter der Weisheit iſt. Jeder der vier Bären brauchte eine blutige Naſe, um zur Erfenntnis zu gelangen, daß Reineke Leben3art genug beſißze, auh mit Bären umzugehen. Fmmerhin aber gereihte es ihrem Verſtande zur Ehre, daß dieſe Überzeugung bei ihnen ſehr ſhnell zum Durchbruche kam. Einer um dén anderen zog brummend ab, und der Fuchs genoß wieder ſeine freie Ausſicht. Er machte ſi< nun unbeſorgt auf den Weg, unterſuchte ſeinen neuen Wohnort mit bewundernswerter Gemütsruhe und erkor ſih ein Pläßchen zwiſchen ein paar größeren Steinen für ſeinen Tagesſ<hlummer. Die Bären, durch das erſte Zuſammentreffen belehrt, ließen ihren Gaſt ungeſchoren und gingen anderen Unterhaltungen nah, während Reineke ſein Fell ordnete.

„Nath wenigen Tagen war ex in dem Bärenzwinger vollkommen zu Hauſe. Er hielt es unter ſeiner Würde, mit den Bären in nähere Unterhaltung zu treten, während die leßteren es für beſſer erachteten, den ſonderbaren Kauz ſeinen eigenen Betrachtungen zu überlaſſen, anſtatt ſi< wieder blutige Naſen zu holen. Wie wenig dieſer ſih um ſie kümmerte, geht daraus hervor, daß er ſeine Lebensweiſe nicht im mindeſten veränderte. Während ſi die Bären am Tage viel mit den Beſchauern zu ſchaffen maten, blieb er in ſtolzer Ruhe auf ſeinem Pläßchen ſißen; nachts dagegen, wenn ſeine Mitbewohner im tiefſten Shlummer lagen, machte er ſeinen Rundgang. Kurz, er ſ{loß ſi< an niemand an und lebte wie ein Vornehmerx unter Bauern. Wie er ſi alle Verhältniſſe nußbringend zu machen wußte, ſo hatte er auh den Steigbaum zu ſeinem Ruhepläßchen erkoren, wußte, troßdem er für den ebenen Boden geſchaffen iſ, mit einem gewandten Sprunge die erſte Gabel zu gewinnen und lief dort mit einer Sorgloſigkeit, als wenn er allein Herr des Zwingers wäre. Kam zufällig einmal ein Bär auf den Gedanken, den Baum zu beſteigen, ſo wih er auf die höhere Gabel aus, und wenn der Vär die erſte Gabel erreicht hatte, ſprang er ihm mit muſtergültigem Gleihmute auf den Rüken und von dort auf den ebenen Boden herab. Als die Kälte des Winters auh dem di>en Fuhhspelze zu nahe auf den Leib rüdte, legte er den glänzendſten Beweis von der Gabe ab, ſi in die Verhältniſſe zu ſhi>en. Da die Bären zur Befriedigung ſeiner geiſtigen Bedürfniſſe gar nihts beitrugen, machte er ſi< ungeſäumt daran, wenigſtens leiblichen Nuten von ſeinen zottigen Hausherren zu ziehen. Er ging alſo des Nachts in den Bärenſtall und legte ſi< mit derſelben Gemütsruhe zwiſchen die ſ{<narhenden Bären, kro<h ſogar zwiſchen ihre Pranken hinein, als wenn er es mit zwei Woll: ſä>en zu thun hätte. Offenbar waren die Gebrüder Peb dur dieſe Unverſchämtheit ſo verblüfft, daß ſie ſi<h in das unvermeidliche Schickſal, Kopfpolſter und Matraze für Freund Neineke abzugeben, ruhig fügten. Das köſtlichſte dabei wax, daß aus dieſem rein nüßlichen Verhältnis durchaus kein eigentliches Freundſchaftsbündnis wurde. War der Zwe> der gegenſeitigen Warmhaltung erfüllt, ſo kümmerte ſih der Fuchs niht im geringſten mehr um ſeine lebendigen Wärmflaſchen, zog ſich ruhig auf ſeinen Standort zurü> und verbrachte den Tag als vollendeter Einſiedler.“ ö

Reineke iſt der Jägerei ungemein verhaßt, deshalb jahraus jahrein vogelfrei: für ihn gibt es keine Zeit der Hegung, keine Shonung. Man ſchießt, fängt, vergiftet ihn, gräbt ihn aus ſeinem ſicheren Baue und ſ{lägt ihn mit dem gemeinen Knüppel nieder, hett ihn zu Tode, holt ihn mit Kräßern und Zangen aus der Erde heraus, kurz, ſucht ihn auf alle