Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Polarfuhs: Nahrung. Gebaren. Zudringlichkeit. 195

Die geiſtigen Fähigkeiten des Tieres ſind keineswegs gering; demungeachtet zeigen ſich gerade bei der Beobachtung des Weſens die ſonderbarſten Widerſprüche, und man gerät oft in Zweifel, wie man dieſe oder jene Handlung zu beurteilen habe. Liſt, Verſchlagenheit, Kunſtfertigkeit, kurz, Verſtand zeigten alle, welche beobahtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreiſtigkeit wie bei kaum einem anderen Tiere. Hiervon habe ih mich ſelbſt überzeugen können. Wir begegneten abends einem dieſer Füchſe auf dem Doverfjeld in Norwegen und ſchoſſen mit der Büchſe ſiebenmal nach ihm, ohne ihn zu treffen. Anſtatt nun die Flucht zu ergreifen, folgte uns dieſer Fu<hs no< wohl 20 Minuten lang, wie ein gutgezogener Hund ſeinem Herrn, und erſt da, wo das felſige Gebiet endete, hielt er es für geraten, umzukehren. Er ließ ſi< dur gutgezielte Steinwürſe ebenſowenig vertreiben, als er ſi< von den hart vorüberpfeifenden Kugeln hatte in die Flucht ſhlagen laſſen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Tier mehrmals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umſtände auf ihn zugekommen und ſi<h neugierig fragend vor ihm hingeſeßt habe. Einmal fraßen ihm Eisfüchſe ſogar die Renntierde>e an, unter welche er ſih gelegt hatte. Seine einſam im Gebirge ſtehende Hütte wurde des Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorſichtsmaßregeln ergreifen, um dieſe zudringlichen Tiere loszuwerden. Jh erwähne dieſe Thatſachen nur flüchtig, hauptſählih aus dem - Grunde, um zu beweiſen, daß der Polarfu<hs ſi< überall gleihbleibt.

Die ausführlichſte und zugleih anziehendſte Schilderung dieſes Tieres hat ſhon im vorigen Fahrhundert Steller gegeben: „Von vierfüßigen Landtieren gibt es auf Beringeiland nur die Stein- oder Eisfüchſe, welche ohne Zweifel mit dem Treibeiſe dahingebra<ht worden und, dur< den Seeauswurf genährt, ſih unbeſchreiblih vermehrt haben. Jh habe die Natur dieſer an Frechheit, Verſchlagenheit und Schalkhaftigkeit den gemeinen Fuchs weit übertreffenden Tiere nur mehr als zu genau während unſeres unglückſeligen Aufenthaltes auf dieſem Eilande kennen zu lernen Gelegenheit gehabt. Die Geſchichte der unzähligen Poſſen, die ſie uns geſpielt, kann wohl der Afffenhiſtorie des Albertus Julius auf der Inſel Sarenburg die Wage halten. Sie drängten ſi< in unſere Wohnungen ſowohl bei Tage als bei Nacht ein und ſtahlen alles was ſie nur fortbringen konnten, au<h Dinge, die ihnen gar nihts nußten, als Meſſer, Stö>ke, Sä>e, Schuhe, Strümpfe, Müßen 2c. Sie wußten ſo unbegreifli< künſtlih eine Laſt von etlihen Pud von unſeren Vorratsfäſſern herabzuwälzen und das Fleiſch daraus zu ſtehlen, daß wir es anfangs kaum ihnen zuſchreiben konnten. Wenn wir einem Tiere das Fell abzogen, ſo geſchah es oft, daß wir 2—8 Stück Füchſe dabei mit Meſſern erſtachen, weil ſie uns das Fleiſh aus den Händen reißen wollten. Vergruben wir etwas noch ſo gut und beſchwerten es mit Steinen, ſo fanden ſie cs nit allein, ſondern ſchoben, wie Menſchen, mit den Schultern die Steine weg und halfen, unter denſelben liegend, einer dem anderen aus allen Kräften. Verwahrten wir etwas auf einer Säule in der Luft, ſo untergruben ſie dieſelbe, daß ſie umfallen mußte, oder einer von ihnen kletterte wie ein Affe oder eine Kage hinauf und warf das darauf Verwahrte mit unglaublicher Geſchicklichkeit und Liſt herunter. Sie beobachteten all unſer Thun und begleiteten uns, wir mochten vornehmen, was wir wollten. Warf die See ein Tier aus, ſo verzehrten ſie es, ehe no< ein Menſch dazu kam, zu unſerem größten Nachteile; und konnten ſie niht alles glei<h auffreſſen, ſo ſchleppten ſie es ſtü>weiſe auf die Berge, vergruben es vor uns unter Steinen und liefen ab und zu, ſolange no< was zu ſ{hleppen war. Dabei ſtanden andere auf Poſten und beobachteten der Menſchen Ankunft. Sahen ſie von fern jemand tommen, ſo vereinigte ſih der ganze Haufe und grub gemeinſchaftlich in den Sand, bis ſie einen Seeotter oder Seebären ſo ſ{hön unter der Erde hatten, daß man keine Spur davon erkennen fonnte. Zur Nachtzeit, wenn wix auf dem Felde ſchliefen, zogen ſie uns die

Sc{hlafmüßen und Handſchuhe von und unter den Köpfen und die Biberde>en und Häute 13*