Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

196 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünſte Familie: Hunde.

unter dem Leibe weg. Wenn wir uns auf die friſch geſhlagenen Biber (Seeotter) legten, damit ſie niht von ihnen geſtohlen würden, ſo fraßen ſie unter dem Menſchen ihnen das Fleiſ< und Eingeweide aus dem Leibe. Wir ſchliefen daher allezeit mit Knütteln in den Händen, damit wir ſie, wenn ſie uns we>ten, damit abtreiben und {lagen konnten. „Wo mix uns auf dem Wege niederſeßten, da warteten ſie auf uns und trieben in unſerer Gegenwart hunderterlei Poſſen, wurden immer frecher, und wenn wir ſtill ſaßen, kamen ſie ſo nahe, daß ſie die Riemen von unſeren neumodiſchen, ſelbſtverfertigten Schuhen, ja die Schuhe ſelbſt auffraßen. Legten wir uns, als ob wir ſ<liefen, ſo berochen ſie uns bei der Naſe, ob wir tot oder lebendig ſeien; hielt man den Atem an ſi, ſo zupften ſie wohl gar an der Naſe und wollten {hon anbeißen. Bei unſerer erſten Ankunft fraßen ſie unſeren Toten, während Gruben für ſie gemacht wurden, die Naſe, Finger und Zehen ab, machten fih au< wohl gar über die Shwachen und Kranken hex, daß man ſie kaum abhalten konnte. Einen Matroſen, der in der Nacht auf den Knieen ho>end zur Thür der Hütte hinausharnen wollte, haſchte ein Fus an dem entblößten Teile und wollte feines Schreiens ungeachtet nicht bald loslaſſen. Niemand konnte, ohne einen Sto in der Hand, ſeine Notdurft verrichten, und den Kot fraßen ſie gleih ſo begierig wie die Shweine oder hungerigen Hunde weg. Jeden Morgen ſah man dieſe unverſchämten Tiere unter den am Strande liegenden Seelöwen und Seebären herumlaufen und die ſ{<lafenden beriehen, ob nichts Totes darunter ſei: fanden ſie ſolches, ſo ging es gleich an ein Zerfleiſhen, und man ſah ſie alle mit Shleppen bemüht. Weil auch beſonders die Seelöwen des Nachts im Schlafe ihre Jungen erdrü>en, ſo unterſuchten ſie, dieſes Umſtandes gleihſam bewußt, alle Morgen ihre Herden Stück für Stü>k und ſhleppten die toten Fungen wie Schinder davon. „Weil ſie uns nun weder Tag no< Nacht ruhen ließen, ſo wurden wir in der That dergeſtalt auf ſie erbittert, daß wir jung und alt totſhlugen, ihnen alles Herzeleid an: thaten und, wo wix nur konnten, ſie auf die grauſamſte Art marterten. Wenn wir des Morgens vom Schlafe erwachten, lagen immer 2 oder 3 Erſchlagene vor unſeren Füßen, und ih kann wohl während meines Aufenthaltes auf der Fnſel auf mich allein über 200 ermordete Tiere re<hnen. Den dritten Tag nah meiner Ankunft erſhlug i< binnen 3 Stunden mit einem Beile über 70, aus deren Fellen das Dach über unſerer Hütte verfertigt ward. Aufs Freſſen ſind ſie ſo begierig, daß man ihnen mit der einen Hand ein Stück Fleiſh vorhalten und mit der anderen die Axt oder den Sto führen konnte, um ſie zu erſchlagen. Wir legten einen Seehund hin, ſtanden mit einem Stoke nur zwei Schritt davon und machten die Augen zu, als ob wir ſie niht ſähen: bald kamen ſie angeſtiegen, fingen an zu freſſen und wurden erſchlagen, ohne daß ſi daran die anderen hätten ſpiegeln und entlaufen ſollen. Wir gruben ein Loh oder Grab und warfen Fleiſch oder ihre toten Kameraden hinein; ehe man ſi<h's verſah, war die ganze Grube voll, da wir denn mit Knütteln alles exſ<lugen. Obgleich wir ihre ſhönen Felle, deren es hier wohl über ein Dritteil der bläulichen Art gibt, niht achteten, auh niht einmal abzogen, lagen wir doh beſtändig gegen ſie als unſere geſhworenen Feinde zu Felde. Alle Morgen ſ{leppten wir unſere lebendig gefangenen Diebe bei den Shwänzen zur Hinrichtung oder Beſtrafung vor die Kaſerne auf den Nichtplay. Das allerlächerlichſte iſt, wenn man ſie erſt beim Shwanze feſthält, daß ſie aus allen Kräften ziehen, und dann den Shwanz abhaut; da fahren ſie einige Schritte voraus und drehen ſih, wenn ſie den Shwanz miſſen, über zwanzigmal im Kreiſe herum. Dennoch ließen ſie ſih niht warnen und von unſeren Hütten abhalten, und zuleßt ſah man unzählige ohne Schwanz oder mit 2 oder 3 Beinen auf der Fnſel herumlaufen. Wenn dieſe geſchäſtigen Tiere einer Sache nichts anhaben können, wie z. B. Kleidern, die wir zuweilen ablegten, ſo loſten und harnten ſie darauf, und dann geht ſelten einer vorbei, der dies nicht thun ſollte. Aus allem erſah man, daß ſie hier nie einen Menſchen