Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Graufuchs: Verbreitung. Leben8weiſe. Fortpflanzung. 207

dem Gehöfte des Bauern ſein Jagdgebiet. Audubon verſichert, daß er zwar weit furhtſamer und ſcheuer wäre als der Rotfuchs und nicht allein dur< das Anſchlagen eines Hundes, ſondern ſhon durh das Knaten eines Zweiges in eilige Flucht geſchrett würde, daß man au< von räuberiſchen Überfällen geſhüßter Geflügelgehege oder gar der Schafherden wenig oder nichts vernehme, bemerkt aber ausdrü>li<, daß unſer Tier im Süden ebenſo gehaßt und verfolgt werde wie der Rotfuchs im Norden. Der leßtere, meint unſer Gewähr83mann, läßt ſi mit einem liſtigen und kühnen Räuber, der erſtere mit einem ſtehlenden Diebe vergleichen; doh ſind die Weibchen beider Arten, wenn ſie Junge haben, von gleicher Dreiſtigkeit beſeelt. Wie Reineke, ſtellt auh der Graufuhs mit Vorliebe Mäuſen und Ratten, insbeſondere der Wieſenmaus und der Baumwollratte, nach, ohne irgend etwas anderes Genießbares zu verſ<hmähen. Audubon ſchildert in ſehr anſchaulicher Weiſe, wie das Tier, einem trefflihen Spürhunde vergleihbar, mit ſorgfältigſter Benußung des Windes an eine Kette von Baumwahhteln ſih anſchleiht und glücli<h einen der Vögel davonträgt. „An einem falten regneriſchen Reiſetage“, ſo erzählt er, „bemerkten wir einen Graufuchs, welcher in der Art und Weiſe eines Vorſtehhundes ausging. Gegen den Wind, dur das hohe Gras ſ<leihend, ſtand er plöglith ſtill und ließ ſih auf ſeine Keulen nieder. Einen Augenbli> ſpäter erhob er ſi< wieder und ſt{li< mit langſamen und vorſichtigen Schritten vorwärts, ſeine Naſe dann und wann hoch in die Luft erhebend und von einer Seite zur anderen be: wegend. Zuleßt ſchien er ſi< ſeiner Beute verſichert zu haben und bewegte ſich in gerader Richtung, jedoh no< immer ſehr behutſam, zeitweilig auf der Erde kriechend, vorwärts, kam uns dabei au< dann und wann aus den Augen, bis wir ihn endlich wieder bemerkten, als er den legten Halt machte. Von einem Bewegen des Schwanzes, wie man es bei der Hausfaßte beobachtet, bemerkten wir nichts; die Ohren waren niedergebeugt, der Kopf wurde nur wenige Zoll über dem Boden erhoben: ſo verblieb er ungefähr eine halbe Minute, und nun erſt ſprang er mit gewaltigem Sate auf ſeine Beute. Das Schwirren einer auſſtehenden Kette von Baumwachteln und zwei oder drei ſcharfe, kreiſchende Laute wurden vernommen, und der vom Erfolge begünſtigte Räuber zeigte ſi< kurz darauf mit einer BVaumwachtel im Maule. Wir hatten ein Gewehr bei uns und wären wohl im ſtande geweſen, ihn zu erlegen, aber wozu? Er hatte uns gezeigt, daß er nicht allein zu dem Hunde gehört, ſondern es auch einem trefflihen Vorſtehhunde gleihthun kann, hatte ſih außerdem in einer re<tlihen Weiſe ernährt: warum ihn alſo töten?“ Etwas weniger mild geſtimmt wird man, wenn man die von ihm geplünderten Neſter der Truthühner und anderer nüßlicher Vögel auffindet oder an eine Stelle kommt, auf welcher ſich die Spuren eines zwiſchen ihm und einer Truthenne ſtattgefundenen Kampfes erkennen laſſen, und man begreift dann, daß er ebenſo verfolgt wird wie ſeine Verwandten, obgleih man wohl annehmen darf, daß er, wie dieſe, durh Verminderung der verderblichen Nagerbrut mehr Nuzen als dur<h Aufzehren uns nüßlicher Tiere Schaden bringt. Neben größerem Wilde, insbeſondere Wirbeltieren aller Klaſſen, ſtellt der Graufuchs übrigens auch Kerbtieren nach, zerkraßt beiſpielsweiſe, um zu ſolchen zu gelangen, halbverfaulte Baumſtrunke in den Waldungen, und ebenſo verzehrt er Pflanzenſtoffe verſchiedenſter Art. Audubon wurde von einem Landwirte im Staate New York auf ein Maisfeld aufmerkſam gemacht, in welchem einige unbekannte Tiere dadurch, daß ſie ſih von den reifenden Kolben genährt, niht unbeträchtlichen Schaden verurſacht hatten. Die Fährte des Tieres lehrte den Graufuchs als Thäter kennen, und die vorläufige Feſtſtellung der Diebe wurde dur den Fang von dreien vollkommen beſtätigt.

Zn Carolina wölft der Graufuchs in den legten Tagen des März oder in den erſten des Aprils, in den nördlichen Staaten etwas ſpäter. Die Jungen bleiben ungefähr 3 Monate lang unter der Obhut ihrer Mutter und zerſtreuen ſich dann, ſowie ſie ſelbſtändig geworden und das einſame Leben der Alten zu führen im ſtande ſind. Auch wenn ſie bereits volle