Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

212 Vierte Ordnung: Raubtiere; ſe<ſte Familie: Bären.

Alle übrigen Arten ſ{hweifen innerhalb eines weniger ausgedehnten Kreiſes umher. Die meiſten Bären leben einzeln, d. h. hö<hſtens zur Paarungszeit mit einem Weibchen zuſammen; einige ſind geſellig und vereinigen ſih zu Geſellſchaften. Dieſe graben ſi<h Höhlen in der Erde oder in dem Sande, um dort ihr Lager aufzuſchlagen, jene ſuchen in hohlen Bäumen oder in Felsklüſten Schuß. Die meiſten Arten ſind nächtlihe und halbnächtliche Tiere, ziehen nah Untergang der Sonne auf Raub aus und bringen den ganzen Tag über ſhlafend in ihren Verſte>en zu.

Mehr als die übrigen Raubtiere ſcheinen die Bären, Allesfreſſer im vollſten Sinne des Wortes, befähigt zu ſein, lange Zeit allein aus dem Pflanzenreiche ſih zu ernähren. Nicht nur eßbare Früchte und Beeren werden von ihnen verzehrt, ſondern auh Körner, Getreide im reifen und halbreifen Zuſtande, Wurzeln, ſaftige Gräſer, Baumknoſpen, Blütenkäßchen 2c. Gefangene hat man längere Zeit bloß mit Haſer gefüttert, ohne eine Abnahme ihres Wohlbefindens zu bemerken. Jn der Jugend dürften ſie ihre Nahrung ausſ<hließli<h aus dem Pflanzenreiche wählen, und auh ſpäter ziehen die meiſten Arten Pflanzennahrung dem Fleiſche vor. Sie ſind keine Koſtverähter und freſſen außer den angeführten Pflanzenteilen auh Tiere, und zwar Krebſe und Muſcheln, Würmer, Kerbtiere und deren Larven, Fiſche, Vögel und deren Eier, Säugetiere und Luder, dieſes wohl aber bloß ſo lange, als es no< friſch iſt und nicht ſtinkt. Fn der Nähe menſhliher Wohnungen fügen ſie dem Haushalte Schaden zu, und die ſtärkeren Arten werden zeitweilig zu tühtigen Räubern, welche, wenn der Hunger ſie quält, auh größere Tiere anfallen und namentli<h unter dem Großvieh Verwüſtungen anrihten. Einzelne ſind dabei ſo dreiſt, daß ſie bis in die Dörfer hineinkommen. Dem Menſchen werden auch die ſtärkſten in der Regel bloß dann gefährlih, wenn er ſie ſtört, erſhre>t oder verwundet, kurzum ſie irgendwie herausfordert.

Man irrt, wenn man die Bewegungen der Bären für plump und langſam hält. Die großen Arten bewegen ſih gewöhnlih niht beſonders ſ<hnell und geſchi>t, aber im hohen Grade ausdauernd; die kleinen Arten aber bewegen ſih außerordentli<h behende und raſh. Die Bären treten mit ganzer Sohle auf und ſeven bedächtig ein Bein vor das andere; geraten ſie aber in Aufregung, ſo können ſie tüchtig laufen, indem ſie einen abſonderlichen, jedo<h fördernden Galopp einſchlagen; ſelbſt die größten Arten entwi>eln dann eine erſtaunlihe Schnelligkeit und Gewandtheit. Die plumperen vermögen ſi<h außerdem auf den Hinterbeinen aufzurichten und, ſ{hwankenden Ganges zwar, aber doh niht ungeſchi>t, in dieſer Stellung eine kurze Stre>ke zu durhmeſſen. Das Klettern verſtehen faſt alle ziemlih gut, wenn ſie ihrer Shwere wegen es auh nur in untergeordneter Weiſe ausüben und, wenigſtens die großen Arten, im Alter faſt gänzlich unterlaſſen. Einige meiden das Waſſer, während die übrigen vortreffli<h {<wimmen und einige tief und anhaltend tauchen können. Den Eisbären trifft man oft viele Meilen weit vom Lande entfernt, mitten im Meere ſ{hwimmend, und hat dann Gelegenheit, ſeine Fertigkeit und erſtaunliche Ausdauer zu beobachten. Eine große Kraft erleichtert den Bären die Bewegungen, läßt ſie Hinderniſſe überwinden, welche anderen Tieren im höchſten Grade ſtörend ſein würden, und kommt ihnen auch bei ihren Näubereien ſehr wohl zu ſtatten: ſie ſind im ſtande, ein Stü> Großwild oder Großvieh fortzuſchleppen.

Unter ihren Sinnen ſteht der Geru<h obenan; das Gehör iſt gut, bei manchen ſogar re<t fein, das Geſicht mittelmäßig, der Geſhma> niht beſonders und das Gefühl ziemlih unentwi>elt, obwohl einige in ihrer verlängerten Schnauze ein förmliches Taſtwerkzeug beſißen. Einige Arten ſind verſtändig und klug; ſie laſſen ſih in gewiſſem Grade abrichten, erreichen jedo< niht eine hohe geiſtige Ausbildung. Einzelne werden re<ht zahm, ohne indes eine beſondere Anhänglichkeit an den Herrn und Pfleger zu zeigen. Dazu kommt, daß im Alter ſih das Vieh immer mehr herauskehrt, d. h. daß ſie tü>iſh und reizbar, zornig und