Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

220 Vierte Ordnung: Raubtiere; ſe<ſte Familie: Bären.

zu, ging auf dieſem gegen 100 Schritt hin, zog plößlih links ab dem Holze zu, aus dem er gekommen, und that vom Bruche aus einen Sprung in dasſelbe nah mehreren Haſelhühnern, wie die bei der plöglichen Überrumpelung in eiliger Flucht verloren gegangenen Federn bewieſen. Alsdann wandte er ſi<h wieder dem Bruche zu, durchzog ihn in gerader Richtung ohne bemerken8werte Handlung, zog wieder zu Holze, riß ein leeres Droſſelneſt von einem Haſelbuſche, bemühte ſi<h mit Fängen und Waffen an einer hohlen Eiche die Öffnung zu erweitern, um zu dem Honig eines wilden Bienenſhwarmes zu gelangen, fraß Blaubeeren, beſhnüffelte die Einfahrt eines Dachsbaues und machte ſi< auf grasreicher Blöße vielfah dur< Hin- und Herlaufen bemerkli<h. Die nähere Unterſuhung ergab reichliche Lofung junger Birkhühner, deren Geläufe er eifrig gefolgt war. Von hier aus durchzog er einen naſſen, dicht beſtandenen Erlenbruch, betrat alsdann einen alten Kiefernbeſtand, löſte ſih, entrindete eine abgeſtorbene Kiefer an ihrem unteren Ende, tratte die Erde auf, erniedrigte ſih mit dem Hinterteile darauf, während er ſi< auf den Vorderbranten hin und her zu bewegen ſchien, denn die Abdrücke der Waffen waren zahlreih vorhanden und die __ Erde dur das häufige Aufſezen und den ſtarken Dru> der Sohlen feſtgedrü>t. Dann

wandte er ſi<h einer Blöße zu, die mit Buchweizen beſtellt war, dur<hſchnitt dieſe und betrat einen aus Weichholz und Fichten gemiſchten, niedrig gelegenen und reihli< mit Lagerholz verſehenen Diſtrikt, bei deſſen Durchzug er die Partien mit Lagerholz bevorzugte, worauf er unter der aufgeworfenen Wurzel einer geſ{hobenen Fichte dur<hkro<, beim Wechſeln über eine geworfene Eſpe ausglitt und mit dem Hinterkörper ziemlih tief in den Moraſt einſank; ſ{<ließli< ſteuerte er dem mehr tro>enen Boden einer nahen Fichtendi>ung zu und verſhwand darin, ohne daß ſeine Verfolgung weiter fortgeſezt wurde.“

Solange der Bär Pflanzenkoſt in reihliher Menge zur Verfügung hat, hält er ſi< an dieſe; wenn die Not ihn treibt, oder wenn er ſi an tieriſhe Nahrung gewöhnt hat, wird er man<hmal zum Raubtiere in der eigentlichen Bedeutung des Wortes. Seine Beute ſucht er zu belauern oder zu beſchleihen; Großvieh ſoll er auh dur< Umherjagen ermüden oder, zumal wenn es auf höheren Bergen weidet, verſprengen und in Abgründe treiben, worauf er behutſam nachklettert und ſih unten ſatt frißt. Glü>kliche Erfolge mehren ſeine Dreiſtigkeit. Fm Ural gilt der Bär als der \{hlimmſte Feind der Pferde. Fuhrleute und Poſtkutſcher weigern ſi<h zuweilen, na<hts dur<h einen Wald zu fahren, obwohl es kaum vorkommen mag, daß ein Bär Pferde vor dem Wagen angreift. Solche aber, welche frei im Walde weiden, ſind niemals vor ihm ſicher. Ein mir befreundeter Bärenjäger, von Be>mann, erzählte mir als Augenzeuge, wie das Raubtier bei ſeinem Angriffe verfährt. Jn der Nähe eines ſumpfigen Dickichts weideten mehrere Pferde angeſichts des auf dem Anſtande regungslos verharrenden Jägers. Da erſchien, aus dem Dickicht kommend, ein Bär und näherte ſi, langſam ſchleihend, den Pferden mehr und mehr, bis dieſe ihn wahrnahmen und in höchſter Eile die Flucht ergriffen. Mit mächtigen Säßen folgte der Bär, holte das eine der Pferde in überraſchend kurzer Zeit ein, ſ{<hlug es mit der einen Brante auf den Rüden, patte es mit der zweiten vorn im Geſichte, warf es zu Boden und zerriß ihm die Bruſt. Als er ſah, daß unter den geflüchteten Tieren eines lahm war und niht zu entkommen vermochte, lief er, die geſhlagene Beute verlaſſend, auh dem zweiten Opfer nah, erreichte es raſh und tötete es ebenfalls. Beide Pferde ſhrien entſeßlich.

Jt Meiſter Braun einmal dreiſt geworden, ſo kommt er auh an Ställe heran und verſucht, deren Thüren zu erbrechen oder, wie in Skandinavien mehrmals geſchehen ſein ſoll, deren Dächer abzude>en. Seine außerordentlihe Stärke ermöglicht es ihm, ſelbſt große Beutetiere fortzuſchaffen. Von der ungemeinen Kraft ſtarker Bären gibt Kremengß mehrere Beiſpiele. Ein Bär zerbra<h im Todeskampfe 8—10 cm die Kiefernſtangen; ein anderer nahm eine eben geſ{<lagene und no< zappelnde Kuh mit den Vorderbranten und trug ſie,