Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Landbär: Winterruhe. Lieblingspläße. Einwechſeln. 228

er wie die meiſten anderen Winterſchläfer in ſehr abgemagertem Zuſtande zum Vorſchein. Die Alten, denen dies bekannt war, bemerkten auh, daß der ruhende Bär, wie es ſeine Gewohnheit überhaupt iſt, zuweilen ſeine Pfoten bele>t, und glaubten deshalb annehmen zu müſſen, daß er das Fett aus ſeinen Tagen ſauge. Daß leßteres unwahr iſt, ſieht jedes Kind ein; gleihwohl werden ſelbſt heutigestags noch dieſe Märchen gläubig weiter erzählt. Wahr iſt hingegen, daß der Bär, namentlih im Winterlager, wenn ſeine Sohlen ſih häuten, oft und andauernd unter Brummen und Schmagen, das bei ruhigem Wetter auf ziemliche Entfernung zu vernehmen iſt, an den Branten ſaugt, wahrſcheinlih um die Häutung zu fördern und vielleiht auh um den Schmerz zu ſtillen.

Über die Lebensweiſe und das Treiben der Bären in den Rokitnoſümpfen berichtet Krement ausführlih. Nach ihm iſt der Bär recht eigentlih ein Bewohner des Sumpfes. Gewiſſe Örtlichkeiten werden von ihm, ſo wie wir es au< vom Tiger kennen lernten, ganz beſonders bevorzugt; wird dort der heurige Bär geſchoſſen, ſo ſtellt ſi< ganz ſicherlih im nächſten Jahre an derſelben Stelle ein anderer ein. Sie lieben es, ihre Lager auf erhöhten Plätzen in niedrig gelegenen und ſumpfigen Gegenden aufzuſchlagen und wählen dazu hauptſähli< mit vielem Windbruche, überhaupt mit Lagerholz verſehene und namentlih mit Fichten dur<ſtandene Striche, verſ<hmähen es jedo<h auh niht, ſi< im Bruche, im Anflughorſte, im dichten Bruchgeſtrüppe oder im Schilfe einzuſchlagen, richten ſih auch in hohlen Stämmen häuslih ein und liegen in der Not auf blaher Sumpffläche, vor dem Geſehenwerden nux durc einiges Strauchwerk geſhüßt. Vertiefungen, die vor den rauhen Nordund Oſtwinden ſ{hüßen, werden ſtets vorgezogen und, wo nötig, auch erſt hergeſtellt.

Der Bär wandert von weither ſeinem Lager zu und hält dabei Jahr für Fahr den Weg vielfach ſo genau inne, daß es möglich iſt, ihm auf dem Anſtande die Flucht zu verlegen. Die Bären, die ſi< in den nördlichen tro>neren Gegenden einſhlagen, lieben es, beim Auſfſtehen im Frühjahre ſüdwärts na<h den Verſumpfungen des Pripet zu ziehen, um im Spätherbſte zwiſchen dem 25. Oktober und 10. November in kleinen Trupps wiederum ihren nördlichen Lagerpläßen langſam zuzuwe<hſeln. Bei den Wanderungen vom Winteraufenthalte zur Sommerfriſche und umgekehrt dehnen ſi< die Märſche auf 200300 km und wohl au< auf no< bedeutendere Stre>en aus. Ein Teil der Bären, und das ſind meiſt alte, den Buſhwächtern wohlbekannte Burſchen, wandert gar niht. Für den Vieh- und Bienenſtand ſind dieſe Standbären die gefährlichſten. Beim Einwechſeln ins Lager benehmen ſie ſi< ſehr verſchieden. Einige eilen ſ{hnurſtra>s dem Plaßze zu und ſ{hlagen ſi ſofort ein, andere bummeln allmähli<h und auf Umwegen ihren Winterquartieren zu, noh andere begeben ſi< zwar frühzeitig dahin, treiben ſih aber dort no< umher, beſſern ihr altes Lager aus oder ſtellen ein neues her. Leßteres thun im allgemeinen die trächtigen Weibchen, die ſi< wohl auh früher als die Männchen einzuſchlagen pflegen. Alte, vielerfahrene Vären gefallen ſi< darin, beim Einwechſeln ins Lager vielfache Widergänge zu machen oder von einem Wege aus in mächtigem Sprunge rechtwinkelig abzubiegen und, in der Nähe des Lagers angekommen, dieſes mit großen Hin- und Herſprüngen aufzuſuchen. Unſer Gewährsmann hat Sprungweiten von 4 m und bis an 6 m gemeſſen, und zwar in tiefem Schnee. Beſonders liſtige Bären wechſeln, um ihren Aufenthaltsort zu verheimlichen, auf ziemliche Entfernungen ſogar rücwärts gehend nah ihrem Lager oder warten ein heftiges Schneegeſtöber ab, das alle Spuren ſogleih verde>t. Troßdem wintert der Vär gar niht ſelten unfern von Wohnſigen wie an vielbenußten Wegen, ohne ſih dur den Verkehr ſtören zu laſſen. So lagen im Winter auf 1869: 19 Bären 1—2 km weit von bewohnten Orten. Der Bauer behauptet, der Bär thue dies, damit er jeden Morgen den Hahn krähen höre, vergißt aber, daß ſowohl der Zufall als auch eine beſtimmte Abſicht den Bären leiten fann, der ja beim Aufſtehen raſch einen guten Fraß braucht und ihn dort am ſchnellſten findet,