Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

224 Vierte Ordnung: Naubtiere; ſe<hſte Familie: Bären.

wo das Vieh glei<h na< Eintritt des Frühlings ausgetrieben wird. Ein alter Bär hatte ſih einmal während eines Sturmes keine 60 Schritt von der Wohnung eines Waldwärters in einer Grube einſchneien laſſen, gab au< fein Zeihen ſeines Daſeins, obwohl kläffende Hunde oft genug um und über ſein Lager liefen. Erſt bei eintretendem Tauwetter erfuhr der Waldwärter, wel<h grimmen Gaſt er gehabt hatte, der ihm obendrein die Gaſtfreundſchaft no< dadur< lohnte, daß er ihm am dritten Tage eine ſeiner beſten Kühe ſ{<lug.

Im allgemeinen pflegt ſih der Bär in den Gebieten, in welchen unſer Gewährsmann ſeine Beobachtungen angeſtellt hat, zwiſchen dem 10. November und 1. Dezember einzuſhlagen, aber auh früher oder ſpäter, je na< den Witterungsverhältniſſen. Einzelne, meiſt alte und geriebene Tiere, führen ſelbſt während des Winters gleihſam ein Vagabundenleben und laſſen keine 14 Tage vergehen, ohne aufzuſtehen und troß tiefen Schnees und ſtarker Kälte mitunter weite Wanderungen zu unternehmen. Die feiſten Bären pflegen ſih früher einzuſ<hlagen und auch feſter zu liegen als die, welche niht gut bei Leibe ſind: am feſteſten liegen diejenigen, welche ſih tief haben einſhneien laſſen. Db dieſe wirklih anhaltend ſ<lafen, iſt niht feſtzuſtellen, dagegen iſt es ſicher, daß die weniger gede>t liegenden, die beobachtet werden können, keines8wegs in einen rihtigen Winterſchlaf verfallen, denn ſie ſind ſtets rege und ſehr wahſam. Gewöhnlich erhebt der Bär, ſelbſt bei dem leiſeſten Anſchleichen, den Kopf mehrmals aus dem Lager, äugt nah dem Störer und du>t ſich wieder. „Der Bär grüßt“ iſt der dafür landesübliche Ausdru>. Manche thun dies bereits auf große Entfernungen, ſtehen mitunter ganz auf, erniedrigen ſih aber ſofort wieder; andere bleiben ruhig liegen, bis ſie mit jähem Sate aufſpringen und flüchtig werden; wieder andere erheben ſi<h, äugen längere Zeit wie feſtgebannt, ermeſſen die Gefahr, greifen an oder enteilen, und niht wenige, gewöhnli<h Bärinnen, nehmen den Störenfried ohne weiteres an. Jedenfalls iſt große Vorſicht geboten, denn alle Pete vermerken es ſehr übel, wenn ſie in ihrer Winterruhe geſtört werden.

„Der Bäx, einmal feſt eingeſ<hlagen“, fährt Kremengt fort, „frißt abſolut nihts während ſeines Winterlagers und löſt ſi< auh während desſelben nicht oder wenigſtens nur unter gewiſſen Umſtänden. Jh habe dieſem häufig als ſtreitig aufgeworfenen Punkte die größte Aufmerkſamkeit geſchenkt, habe zu dieſem Zwe>e 59 Bärenlager geprüft und unterließ es nie, den geſchoſſenen Bären nah ſeinem Mageninhalte zu unterſuchen. Von dieſen 59 Bären hatten 37 von dem Zeitpunkte des Einſchlagens an bis zum Sicherheben im Frühjahre, reſp. bis zur Jagd, die meiſtens in der zweiten Hälfte des Februars und niht ſelten erſt tief im März ſtattfand, ihr Lager nicht ein einziges Mal verlaſſen, 11 wechſelten es infolge von Näſſe, 8 wurden gewaltſam hohgemacht, 3 erhoben ſi< aus unbekannten Gründen. Sämtliche beobachtete Bären bezogen ein neues Lager, aber weder bei dieſen noh bei den übrigen habe ih bemerkt, daß ſie ſih gelöſt hätten, mit Aus8nahme von vier der von Hunden weithin verfolgten und eines, der ſih von ſelbſt erhoben hatte und weithin fortgegangen wax. Die Löſung iſt nur als Folge der überaus großen Anſtrengung bei der Verfolgung durch den tiefen Schnee anzuſehen. Hat der Bär, bevor er ſein Winterlager bezog, noch eine tüchtige Mahlzeit gehalten, ſo findet man ſeine Loſung auf dem Wege zum Lager und auh um dieſes herum mitunter ſehr häufig. Dies ſind jedoch ſeltene Fälle, da der Bär, beſonders der fette, in den zwei lezten Wochen vor dem Einſchlagen ſich beinahe jeden Fraßes zu enthalten \{heint und beſonders ein Schlagen von Vieh mir in dieſer Zeit nicht vorgekommen iſt. Selbſt die Bärin, die doh nicht ſo feſt liegt als der Bär, infolge Säugens der Jungen ihre Lage häufig wechſelt, mit den leßteren ſpielt 2c., der es mithin an Bewegung durchaus nicht fehlt, löſt ſih beinahe niemals während des Winters. Erhebt ſi<h Bärwild infolge ſtarken Tauwetters im Winter und beginnt zu freſſen, ſo erfolgt natürlih au< Loſung, und ſchlägt es ſi<h nah dem Froſte ſofort wieder ein, ſo kann