Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Landbär: Winterruhe. Faſten. Fortpflanzung im Gefangenleben. 225

es nicht fehlen, daß ſi< au< um das Lager herum Loſung findet. Bei alten, von mir in Bezug auf den Mageninhalt zu jeder Zeit des Winters unterſuchten Bären fand ich ſtets eine ſchleimige, dünnflüſſige, grünlichgelbe Maſſe im Magen und in den Eingeweiden, im Maſtdarm jedo< meiſt einen verhärteten Kotballen, und das iſt derſelbe, der bei heftiger Verfolgung infolge der Anſtrengung nicht ſelten ausgeſtoßen wird. Daß Bärwild im Laufe des Winters Fraß zu ſih genommen, habe ih während eines Zeitraumes von 11 Fahren überhaupt nur zweimal beobachtet.

„Beim Sicherheben aus dem Winterlager ordnet der Bär mit weithin hörbarem Schütz teln des Körpers ſeinen Pelz, re>t und ſtre>t und bele>t ſich, wälzt ſi< im Schnee und Sande und begleitet dieſe Bewegungen mit brummenden Tönen des Wohlbehagens. Alsdann ſichert er, ſucht ſi zure<htzufinden und trollt ab. Seine erſte Sorge iſt, den durch die lange Winterruhe heruntergekommenen Körper dur<h Fraß wieder zu ſtärken. Doch bevor er damit beginnt, bedarf er einer Abführung, um die verſhleimten- Eingeweide zu reinigen. Unter dieſen Abführmitteln ſteht die ſcharf ſaure Moosbeere obenan. Ho>end und gleichſam auf dem Hinterteile rutſhend, ſharrt er die Beeren mit den Vorderbranten zuſammen und verſpeiſt ſie ſhnalzend. Die beabſichtigte Wirkung ſcheint eine vortreffliche zu ſein. Ein anderes Abführmittel bildet das Moos. Noch ſpät im März 1878 jagte ih einmal zwei Bären, die in getrennten Gebieten lagen. Der ungemein di>e Leib des einen und die aus dem Gebiſſe fließende grüne Flüſſigkeit nebſt den zwiſchen den Fängen ſte>enden pflanzlichen Überreſten forderten zu einer genaueren Unterſuchung auf, welche ergab, daß Wanſt und Magen mit friſh genoſſenem Mooſe angefüllt waren. Um die Thatſache no< mehr zu erhärten, begab ih mi zum Lager und fand, daß der Bär im Umkreiſe desſelben den Schnee weggekraßzt und Moos gefreſſen hatte, welches nicht nux in der Fährte umher verſtreut lag, ſondern von dem er auh merkwürdigerweiſe eine niht unbedeutende Menge im Lager ſelbſt geſammelt hatte. Bei dem anderen Bären ereignete ſi die auffallende Thatſache, daß er mit einem Büſchel Moos im Gebiſſe ertappt und ſo erlegt wurde. Die Loſung um das Lager beider Bären war reihlih, dunkelgrün und dünnflüſſig. Jh erwähne dieſe beiden Fälle ausführlih, weil ſie während eines Zeitraumes von 11 Jahren die erſten waren, die ih beobachtete, und ſie den Genuß von Moos als Abführmittel von ſeiten der Vären außer Frage ſtellen. Hat der Bär auf dieſe Weiſe ſein Fnneres gereinigt, ſo bemüht er ſich, nunmehr au< ſein Äußeres dur möglichſt reichlichen Fraß ſtattlicher zu geſtalten. Doch fließt ihm dieſer im Frühjahr \pärlih zu. Jn Bezug auf den Fraß iſt eben die Zeit unmittelbar nach dem Sicherheben aus dem Lager die ungünſtigſte, und dies mag wohl der Grund ſein, weshalb er ſi< nict ſelten genötigt ſieht, ſi< wegen Mangel an Stoffen aus dem Pflanzenreiche ſolche aus dem Tierreiche anzueignen und mithin dem Viehſtande hart mitzuſpielen, was ganz beſonders im Frühjahr häufig zu geſchehen pflegt. Fm allgemeinen pflegen die Bären, die ſih ſ<le<t bei Leibe eingeſchlagen haben, auch diejenigen zu ſein, die ſi<h im Frühjahr beſonders im Schlagen von Vieh auszeihnen.“

Hinſichtlih der Fortpflanzungsgeſchichte des Bären begegnet man einer um ſo auffallenderen Unſicherheit, als der Bär ja doch zu den Raubtieren gehört, welche oft zahm gehalten werden. Es liegt jezt über die Bärzeit, die Begattung und Geburt unſeres Tieres eine Reihe von Beobachtungen vor, welche allerdings zunächſt an gefangenen Bären angeſtellt wurden, aber unter ſich ſo übereinſtimmend ſind, daß man von ihnen mit Vorbehalt wohl auf das Freileben \<hließen kann. Die Bärzeit iſt der Mai und der Anfang des Juni; denn die Aufregung der Geſchlehter währt einen ganzen Monat lang. Von mir gepflegte Bären begatteten ſich zum erſten Male Anfang Mai, von nun ab aber täglich zu wiederholten Malen bis zu Mitte Juni; andere Beobachter erfuhren genau dasſelbe. Nux wenn man ein lange getrenntes Bärenpaar erſt ſpäter zuſammenbringt, kann es vorkommen, daß

Brehm, Tierleben, 3. Auflage. 1I, 15