Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Landbär: Fortpflanzung im Freileben. Junge. 227

Laut Kremeng beginnt daſelbſt die Bärzeit in der Mitte des Sommers und dauert vom 15. Juni bis zum 15. Auguſt. Es ſcheint dabei zu eigentlihen Kämpfen kaum zu kommen, obwohl nicht ſelten mehrere Männchen ein Weibchen begleiten. Einmal wurden drei Bären als Gefolge einer Bärin beobachtet, von denen der kleinſte und <hwächſte der begünſtigte Liebhaber zu ſein ſchien, wenigſtens dem Pürzel der Bärin zunächſt ging. Nach der Bärzeit gehen die Geſchlechter wieder getrennt, die Bärin aber mit ihren Jungen, die auch während der Geſelligkeit der Mutter in rü>ſihtsvoller Entfernung gefolgt ſind. Es iſt nicht möglich, ſicher anzugeben, ob der Bär erſt mit dem 5. oder 6. Jahre fortpflanzungsfähig wird, unſer Gewährsmann iſt jedo<h geneigt, nah mancherlei Anzeichen anzunehmen, daß es ſchon früher geſhehe. Die Zahl der Fungen iſt verſchieden. „Die Bärin ſezt die Jungen in dem Zeitraume vom 1. Dezember bis 10. Januar, nur ſelten früher, mitunter einige Tage ſpäter. Von 31 friſh geſeßten Bären entfielen 16 auf die Zeit vom 1. Dezember bis 1. Fanuax, 13 auf die Zeit vom 1.—10. Januar, 2 auf die Zeit vom 10. bis zum 20. Januar. Beim erſten Segen ſind es gewöhnlich 1 oder 2 Junge, ſpäterhin auh 3, und in den folgenden Fahren ſ{<wankt die Anzahl zwiſchen 2 und 3, ſteigert ſih jedo< zuweilen bis auf 4. Fm Winter von 1870/71 nahm ih einer ungemein ſtarken Bärin mit eigenen Händen fünf Junge weg, der zweite in der Gegend bekannte Fall innerhalb 50 Jahren. Die Mutter ſchien, nah den Zähnen zu urteilen, 14 Fahre niht überſchritten zu haben, war äußerſt boshaft und ſ{<lug mehrere Menſchen niht unerheblih. Alte Bärinnen bringen dann wieder weniger Junge, kommen ſchließli< ſogar auf ein Junges zurü>, gehen inzwiſchen mehrere Jahre gelte und bären ſ{<ließli< gar niht mehr. Jc glaube nah meinen Beobachtungen an geſchoſſenen Bärinnen den Zeitpunkt, von welchem an ſie gelte zu gehen ſcheinen, auf das 16.—18. Jahr feſtſezen zu können.“ Obwohl Kremenßt nicht ausdrüdlih jagt, daß die Bärin regelmäßig alljährlih Junge bringt, geht es doh aus manchen ſeiner Angaben als ſelbſtverſtändlih hervor. Er ſchreibt unter anderem: „Die Bärin, ſofern dieſelbe niht beſchlagen geht, ſchlägt ſih mit ihrem ein- und zweijährigen Jungen ſtets in einem und demſelben Landſtriche ein. Anderſeits beobachtete ih zweimal den gewiß ſeltenen Fall, zwei einjährige Bären, die wahrſcheinlih ihre Mutter verloren hatten oder von ihr, weil ſie beſchlagen ging, abgetrieben worden waren 2c. Jſt die Bärin beſchlagen, ſo duldet ſie unter keinen Umſtänden ihre früheren Jungen um ſich, ſondern treibt ſie aus dem Bezirke, ſogar mit Beißen und Ohrfeigen, hinaus und gibt der Sippe den Laufpaß. Von dieſem Zeitpunkte an ſind die Jungen ſelbſtändig, hängen niht mehr mit der Familie und vor allem mit der Mutter zuſammen und ſind auf ſi< ſelbſt angewieſen.“

Die Mutter richtet in der Regel für ihre Jungen ein vollitändiges Neſt her, doch iſt mehrmals beobachtet worden, daß ſie dieſe au< auf den blanken Schnee ſeßt. Droht der Nachkommenſchaſt Gefahr, ſo trägt ſie dieſe im Gebiſſe oft weithin fort. Auffällig iſt aber, daß die Mutter ihre no< ſehr kleinen und unbeholfenen Fungen in der Bedrängnis häufig ſhnöde preisgibt, während ſie die ſtraffer gewordenen ſtets mutig verteidigt. Unter ſolchen Umſtänden betrachtet ſie ſi<h als Selbſtherrſcherin in der Gegend, die ſie als Auf: enthalt3ort erwählt hat, und begegnet jeder Störung mit ſofortigem Angriffe. Einzelne werden zum Schre>en aller, die ihr Gebiet zu dur<hſchreiten haben, und vermögen ſelbſt Verkehrswege zu ſperren; wer ohne Hunde in ihren Bereich kommt, iſt in Gefahr, verwundet oder getötet zu werden. Etwa im vierten Monat ſind die Fungen ſo weit herangewachſen, daß ſie der Mutter folgen können; dieſe übt ſie fleißig im Klettern, macht ſie mit den Mitteln, Fraß zu finden, vertraut und erteilt ihnen Unterricht in mancherlei dem Bärwilde eigenen Kenntniſſen. Einmal hatte Kremenßt$ Gelegenheit, eine Bärenmutter mit ihren Kindern zu belauſchen. „Die Bärin lag ziemli<h frei auf einem Bruche, gegen Norden und Oſten durch dichtes Weidengeſtrüpp geſhütt. Es war einer jener ſhönen, klaren und ruhigen

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