Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

228 Vierte Ordnung: Raubtiere; ſe<ſte Familie: Vären.

Wintertage, wie ſie im Jnneren Nußlands ſich mitunter gegen Ende Januar einſtellen. Die Bärin hatte drei Junge, lag auf dem Rücken und ſpielte, den Kopf etwas erhoben, mit einem Kleinen, welches, auf den Hinterbeinen erhoben, ſi<h abmühte, der Mutter auf den Bauch zu klettern. Die beiden anderen Kleinen balgten ſich ernſthaft auf dem Schnee herum und ließen bereits ihre feine Baßſtimme deutlih vernehmen. Zufällig bra von der Fichte, auf welche ih behufs beſſerer Beobachtung geſtiegen war, ein Äſtchen ab. Das unbedeutende Geräuſh war von der Mutter vernommen worden und ſchien ihr verdächtig. Sofort wurde ſie hoh und ging einige Schritte in der Richtung auf die Fichte zu. Die Kleinen vergaßen ihre Streitluſt und kauerten friedlih in der Mitte des Lagers. Wenigſtens 3 Minuten ſtand die Bärin wie gebannt da, ſtarr den Kopf auf die Fichte gerihtet, dann und wann das Gehör hin und her bewegend. Endlich drehte ſie ſi< wieder dem Lager zu, legte ſich um die Jungen, die ſofort anfingen zu ſaugen, hielt jedo< den Kopf hoh und äugte zeitweiſe nah der Gegend, in welcher ſie das Geräuſh vernommen. Jh hielt mi äußerſt ruhig, um niht ihre Aufmerkſamkeit von neuem zu erregen. Endlich ſchien auch die Bärin beruhigt zu ſein. Sie kragßte einige Male mit der linken Hinterbrante über die Rippen, warf einen Bli>k auf ihre Kleinen, legte ſi platt auf die Seite und verſank in Morpheus? Arme. Die Kleinen ließen vom Saugen ab, legten ſih zuſammen und pflegten ebenfalls der Ruhe.“

Die von der Alten endlih verſtoßenen jungen Bären ſollen ſi< hierauf während des Sommers in der Nähe des alten Lagers umhertreiben und dieſes bei ſhle<tem Wetter ſo lange benugen, als ſie niht vertrieben werden, ſih auc gern mit anderen Jungen ihrer Art vereinigen. Eine zuerſt von Eversmann veröffentlichte Beobachtung der ruſſiſhen Bauern und Jäger, die allerdings no< weiterer Beſtätigung bedarf, läßt ſolche Vereinigungen in eigentümlichem Lichte erſheinen. Fene haben erfahren, daß die Bärenmutter ihre älteren Kinder zur Wartung der jüngeren benußt und bezüglih preßt, weshalb auh ſolche zweijährige, mit der Mutter und Geſchwiſtern umherlaufende Bären geradezu „Peſtun“, d. h. Kinderwärter, genannt werden. Von einer Bärenfamilie, welche die Kama dur<hkreuzt hatte, erzählt Eversmann folgendes : „Als die Mutter am jenſeitigen Ufer angekommen, ſieht ſie, daß der Peſtun ihr langſam na<hſ{<hleiht, ohne den jüngeren Geſchwiſtern, welhe noh am anderen Ufer waren, behilflih zu ſein. Sowie er ankommt, erhält er von der Mutter ſtillſhweigend eine Ohrfeige, kehrt ſofort nah eröffnetem Verſtändniſſe wieder um und holt das eine Junge im Maule herüber. Die Mutter ſieht zu, wie er wieder zurü>kehrt, um auch das andere herbeizuholen, bis er dasſelbe mitten im Fluſſe ins Waſſer fallen läßt. Da ſtürzt ſie hinzu und züchtigt ihn aufs neue, worauf er ſeine Schuldigkeit thut und die Familie in Frieden weiter zieht.“ Unter den Bauern und Jägern Rußlands und Sibiriens wird allgemein erzählt, daß jede Bärin ihren kleinen Jungen einen Peſtun zugeſellt. Fhm fällt unter anderem die Aufgabe zu, die im Dickicht verborgenen Jungen zu überwachen, während die Alte eine Beute beſchleicht oder an einem erſchlagenen Opfer, welches ſie niht wegſhleppen mag, ſih ſättigt; er teilt im Winter mit ihr dasſelbe Lager, wird auch erſt dann ſeines Dienſtes entlaſſen und freigegeben, wenn ein anderer zu ſeinem Erſaße gefunden wurde. Daher ſicht man unter Umſtänden auh wohl einen vierjährigen Peſtun in Geſellſchaft einer Bärenfamilie.

Über Färbung und Zeichnung der Bären äußert ſi< Kremenß folgendermaßen. „Die Sungen ſind unmittelbar nah dem Setzen über den ganzen Körper bläulih graugelb und haben die Größe einer Ratte. Die Behaarung iſt anliegend, ziemlih dicht, auf der Bauchſeite und den Flanken etwas ſpärlicher. Bereits nah wenigen Tagen ändert ſih das, die Farbe geht ins Braune über, die Haare wachſen ungemein raſh, werden krauſer und Dichter. Der weiße Halsring zieht ſi< am Vorderteile des Buges hin und teilt ſi auf drei Viertel der Halshöhe in eine Gabel, deren eine Zinke ſih nach vorn bis auf einen halben Zoll hinter