Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

250 Vierte Ordnung: Raubtiere; ſe<ſte Familie: Bären.

der größten Vorſicht und taucht plößlih von unten nah dem Tiere empor, welches nun regelmäßig ſeine Beute wird. Die Robben pflegen in jenen eiſigen Gegenden nahe an Löchern und Spalten des Eiſes zu liegen, welche ihren Weg nah dem Waſſer vermitteln. Dieſe Öffnungen findet der unter der Oberfläche des Meeres dahinſ<hwimmende Eisbär mit außerordentlicher Sicherheit auf, und plößlih erſcheint der gefürchtete Kopf des entſeblichſten Feindes der unbehilflichhen Meereshunde ſozuſagen in deren eigenem Hauſe oder in dem einzigen Fluchtgange, welcher ſie möglicherweiſe retten könnte. Fiſche weiß der Eisbär zu erbeuten, indem ex tauchend ihnen na<hſ<hwimmt oder ſie in Spalten zwiſchen dem Eiſe treibt und hier herausfängt. Landtiere überfällt er bloß dann, wenn ihm andere Nahrung mangelt; NRenntiere, Eisfüchſe und Vögel ſind jedoch keineswegs ſicher vor ihm. Osborne ſah einer Värenmutter zu, welche Steinblö>e umwälzte, um ihre Jungen mit Lemmingen zu verſorgen, und Brown ſowie Kükenthal bemerkten, daß er den Eiderenten große Mengen von Eiern auffrißt. Er pflegt überhaupt ſelbſt wer zugängliche Brutplätze der Seevögel regelmäßig zu beſuchen, um von dem Überfluſſe an Eiern und Neſtlingen Zoll zu erheben, wobei er unter Umſtänden große Kletterkunſt entwickelt. Aas nimmt er ebenſo gern wie ſriſches Fleiſch, foll au<h niht einmal den Leihnam eines anderen Eisbären verſ<hmähen. Ju den Meeren, welche von Robbenſchlägern und Walfängern beſucht werden, liefern ihm die abgehäuteten und abgeſpe>ten Leichen der Seehunde und Wale eine ebenſo bequeme wie reichliche Nahrung. Er iſt jedo< keine8wegs ausſchließli< Fleiſ<hfreſſer, ſondern nimmt, wo er es haben fann, au< Pflanzenſtoffe, beſonders Beeren, Gras und Moos, zu ſi, wie allen denen, die oft mit Eisbären zuſammengetroffen ſind, wohl bekannt iſt. Manche alte Burſchen ſcheinen im Sommer und an günſtigen Orten vorwiegend, wenn niht ausſ<ließli<, Pflanzenfreſſer zu ſein, wofür der Mageninhalt getöteter untrüglihe Beweiſe geliefert hat.

Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß die meiſten Eis8bären keinen Winterſchlaf halten. Ein geringerer oder größerer Kältegrad iſt ihnen gleichgültig; es handelt ſich für ſie im Winter bloß darum, ob das Waſſer dort, wo ſie ſi befinden, offen bleibt oder niht. Einige Beobahter ſagen, daß die alten Männchen und jüngeren oder nichtträhtigen Weibchen niemals Winterſchlaf halten, ſondern beſtändig umherſhweifen. So viel iſt ſicher, daß man ſie den ganzen Winter hindurch ſieht und jagt, mit Ausnahme trächtiger Weibchen. Allerdings leben die Tiere während des Winters an der See, meiſtens am Nande des Eiſes. Die trächtigen Bärinnen dagegen ziehen ſi< gerade im Winter zurü> und bringen in den kälteſten Monaten ihre F i zur Welt. Bald nah der Paarung, welche in den Fuli fallen ſoll, bereitet ſih die Bärin ein Lager unter Felſen oder überhängenden Cisblöden oder gräbt ſich wohl auch eine Höhlung in dem Schnee und läßt ſich hier einſhneien. Bei der Menge von Schnee, welche in jenen Breiten fällt, währt es nicht lange, bis ihre Winterwohnung eine die und ziemlih warme Dee erhalten hat. Ehe ſie das Lager bezog, hatte ſie ſh eine tüchtige Menge von Fett geſammelt, und von ihm zehrt ſie während des ganzen Winters; denn ſie verläßt ihr Lager nicht eher wieder, als bis die Frühlingsſonne bereits ziemlih hoch ſteht. Mittlerweile hat ſie ihre Jungen geworfen. Man weiß, daß dieſe nah 6—7 Monaten ausgetragen ſind, und daß ihre Anzahl zwiſchen eins und drei ſchwankt, gewöhnlich aber zwei beträgt; genauere Beobachtungen ſind nicht gemacht worden. Nah Ausſage der nördlichen Völkerſchaften ſollen die jungen Eisbären kaum größer oder niht einmal fo groß als Kaninchen ſein, Ende März oder Anfang April aber bereits die Größe kleiner Pudel erlangt haben. Weit eher als die Kinder des Landbären begleiten ſie ihre Alte auf deren Zügen. Sie werden von ihr auf das ſorgfältigſte und zärtlichſte gepflegt, genährt und geſ<hügt. Die Mutter teilt auh dann noch, wenn ſie ſhon halb oder faſt ganz erwachſen ſind, alle Gefahren mit ihnen; ſhon in der erſten Zeit der Jugend lehrt ſie ihnen das Gewerbe betreiben, nämlih {hwimmen und Fiſchen nachſtellen. Die kleinen, niedlichen Geſellen