Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Wolf: Aufenthalt. Wanderungen. Gefährlichkeit. 923

Pflanzenſtoffe, wie geſagt wird, ſelbſt Mais, Melonen, Kürbiſſe, Gurken, Kartoffeln 2c., niht. Der Schade, welchen er durch ſeine Jagd anrichtet, würde, obſchon immer bedeutend, ſo doch vielleicht zu ertragen ſein, ließe er ſih von ſeinem ungeſtümen Jagdeifer und ungezügelten Blutdurſte niht hinreißen, mehr zu würgen, als er zu ſeiner Ernährung bedarf. Hierdur< erſt wird er zur Geißel für den Hirten und Fagdbeſißer, zum ingrimmig gehaßten Feinde von jedermann. Während des Sommers ſchadet er weniger als im Winter. Dex Wald bietet ihm neben dem Wilde no< manqherlei andere Speiſe: Füchſe, Jgel, Mäuſe, verſchiedene Vögel und Kriechtiere, auh Pflanzenſtoffe; von Haustieren fällt ihm daher jeßt höchſtens Kleinvieh, welches in der Nähe ſeines Aufenthaltsortes unbeaufſichtigt weidet, zur Beute. Unter dem Wilde räumt ex entſeßlih auf, reißt und verſprengt Elche, Hirſche, Dam hirſche, Rehe und vernichtet faſt alle Haſen ſeines Gebietes, greift dagegen größeres Hausvieh wohl nur ausnahmsweiſe an. Manchmal begnügt er ſich längere Zeit mit Ausübung der niederſten Jagd, folgt, wie Fslawin berichtet, den Zügen der Lemminge durch Hunderte von Werſten und nährt ſih dann einzig und allein von dieſen Wühlmäuſen, ſucht Eidechſen, Nattern und Fröſche und lieſt ſi<h Maikäfer auf. Aas liebt er leidenſchaftli<h und macht da, wo er mit Vetter Luchs zuſammenhauſt, reinen Tiſh auf deſſen Shlachtpläben. Ganz anders tritt er im Herbſte und Winter auf. Feßt umſchleiht er das draußen weidende Vieh ununterbrochen und ſchont weder große noh kleine Herdentiere, die wehrhaften Pferde, Rinder und Schweine nur dann, wenn ſie in geſchloſſenen Trupps zuſammengehen und er ſi< no< niht in Meuten geſchart hat. Mit Beginn des Winters nähert er ſich den Ortſchaften mehr und mehr, kommt bis an die leßten Häuſer von St. Petersburg, Moskfau und anderen ruſſiſchen Städten, dringt in die ungariſchen und kfroatiſhen Ortſchaften ein, durchläuft ſelbſt Städte von der Größe Agrams und treibt in kleineren Fle>en und Dörfern regelrechte Jagd, zumal auf Hunde, welche ein ihm ſehr beliebtes Wild und im Winter die einzige in der Nähe der Dörfer leicht zu erlangende Beute ſind. Zwar verabſäumt ex keineëwegs, ſi< auch eine andere Gelegenheit zu nube zu machen, ſ<lei<t ſi< ohne Bedenken in einen Stall ein, deſſen Thür der Beſißer niht gehörig verſchloſſen, ſpringt ſogar dur ein offen ſtehendes Fenſter oder eine ihm erreihbare Luke hinein und würgt, wenn ex ſeinen Rückzug gede>t ſieht, alles vorhandene Kleinvieh ohne Gnade und Barmherzigkeit; doch gehören ſolche Einbrüche des fre<hen Räubers in Viehſtälle immerhin zu den Seltenheiten, während alle Dorfbewohner der von ihm heimgeſuchten Gegenden allwinterlich einen guten Teil ihrer Hunde einbüßen, ebenſo wie der Wolfsjäger regelmäßig im Laufe des Sommers mehrere von ſeinen treuen Jagdgenoſſen verliert. Fagt dex Wolf in Meuten, ſo greift er auh Pferde und Rinder an, obgleich dieſe ſich ihrer Haut zu wehren wiſſen. Jn Rußland erzählt man ſich, wie von Loewis mir mitteilt, daß hungerige Wolfsmeuten ſogar den Bären anfallen und nah heftigem Kampfe ſchließlih bewältigen ſollen; die Beobachtungen von Kremengz beſtätigen jedenfalls, daß Wölfe mitunter den Bären im Winterlager beunruhigen, einen angeſchoſſenen verfolgen und der Bärin die Jungen zu rauben verſuchen, obwohl ſie im Kampfe mit Meiſter Pet ſelten genug erfolgreich ſein mögen. So viel iſt ſicher, daß der Wolf auf alles Lebende Jagd macht, welches er bewältigen zu fönnen glaubt. JFmmer und überall aber hütet er ſich ſolange wie irgend möglich, mit dem Menſchen anzubinden. Die ſchauerlichen Geſchichten, welche wie vom Tiger ſo auh vom Wolfe erzählt und von unſerer Einbildungskraft beſtens ausgeſ<hmüd>t werden, beruhen zum allergeringſten Teile auf Wahrheit. Eine vom Hunger gepeinigte, blindwütende Wolfsmeute wird gelegentlih au< Menſchen, ſelbſt wehrhafte Erwachſene, anfallen, töten und auf: freſſen; ſo ſchre>lih aber, wie man ſich vorſtellt, ſind die Gefahren niht, wel<e Bewohner der Länder bedrohen, in denen Wölfe hauſen. Einzelne Wölfe wagen ſich ſ<hwerli< jemals an einen fräftigen Mann, und wäre er auh nux mit einem Knüppel bewaffnet, es müßten