Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Wolf: Raubweiſe. Schädlichkeit. Abwehr. 25

geringſte Wahrnehmung von ihrem Hauptfeinde erlangt haben. Für gute Hunde aber ſcheint es fein größeres Vergnügen zu geben als die Wolfsjagd, wie ja überhaupt die Hunde ſih dadur< auszeihnen, daß ſie gerade die gefährlichſte Jagd am liebſten betreiben. Schwer begreiflih oder doh merkwürdig iſt, daß der Haß zwiſchen zwei ſo nahen Verwandten, wie Hund und Wolf es ſind, ſo groß werden fann. Ein ſcharfer Hund, welcher auf eine Wolfsfährte geſeßt wird, vergißt in ſeinem Jagdeifer alles und ruht nicht eher, als bis er ſeinen Feind am Kragen hat. Dann achtet er keine Verwundung, nicht einmal den Tod ſeiner Gefährten. Noch ſterbend ſucht er ſih an dem Wolfe feſtzubeißen. Doch nehmen keineswegs alle Hunde eine Wolfsfährte auf; viele kehren im Gegenteile ſofort um, wenn ſie den verhaßten Wolf wittern. Die Größe der Rüden kommt weniger in Betracht als die Raſſe oder Abſtammung und die Shule, welche ſie dur<hgemacht haben. Kleine Kläffer ſind nicht ſelten viel erbittertere Gegner des Raubtieres als große, niht von dem nötigen Mute beſeelte Beißer.

Auch andere Haustiere wiſſen ſih gegen den Wolf zu verteidigen. „Jn den ſüdruſſiſchen Steppen“, ſagt Ko hl, „wohnen die Wölfe in ſelbſtgegrabenen Höhlen, die oft klaftertief ſind. Kaum ſind ſie irgendwo häufiger als in den waldigen und buſchigen Ebenen der Ufraine und Kleinrußlands. Jede menſchlihe Wohnung iſt dort eine wahre Feſtung gegen die Wölfe und mit 4—5 m (2) hohen Dornmauern umgeben. Dieſe Tiere umſchleichen in der Nacht immerfort die Herden der ruſſiſhen Steppen. Den Pferdeherden nahen ſie ſih mit Vorſicht, ſuchen einzelne Füllen wegzuſhnappen, welche ſi zu weit von der Herde weggewagt haben, oder beſhleihen auh einzelne Pferde, ſpringen ihnen an die Gurgel und reißen fie nieder. Merken die übrigen Pferde den Wolf, ſo gehen ſie ohne weiteres auf ihn zu und hauen, wenn ex niht weiht, mit den Vorderhufen auf ihn los, ja die Hengſte pa>en ihn au< mit den Zähnen. Oft wird der Wolf ſchon auf den erſten Schlag erlegt, oft aber macht er eine ſhnelle Wendung, pa>t das angreifende Pferd an der Gurgel und reißt es zu Boden. Auch viele zugleich erſheinende Wölfe ſind nicht im ſtande, eine Pferdeherde zum Weichen zu bringen, kommen im Gegenteile, wenn ſie ſi<h niht bald zurücßziehen, in Gefahr, umringt und erſchlagen zu werden.“ Fn ebenſo mißliche Lage gerät Fſegrim, wenn er verſucht, in den Waldungen Spaniens oder Kroatiens ſich einen Schweinebraten zu holen. Ein vereinzeltes Schwein wird ihm vielleicht zur Beute; eine größere, geſchloſſene Herde dagegen bleibt, wie man mir in Spanien und Kroatien übereinſtimmend verſicherte, regelmäßig von Wölfen verſchont, wird von ihnen ſogar ängſtlich gemieden. Die tapferen Borſtenträger ſtehen mutig ein für das Wohl der Geſamtheit, alle für einen, und bearbeiten den böſen Wolf, welcher ſich erfrechen ſollte, unter ihnen einzufallen, mit den Hauzähnen ſo water, daß er alle Näubergelüſte vergißt und nur daran denkt, ſein aufs höchſte bedrohtes Leben in Sicherheit zu bringen. Verſäumt er den rechten Augenbli>, ſo wird er von den erboſten Schweinen unbarmherzig niedergemacht und dann mit demſelben Behagen verzehrt, welches ein Schweinebraten bei ihm erwe>en mag. So erklärt es ſich, daß man da, wo Schweine im Walde weiden, faſt nie einen Wolf ſpürt, und andererſeits wird es verſtändlich, daß der Jäger, welcher mit ſeinen Hunden zufällig in die Nähe einer Schweineherde gerät, niht minder ernſte Gefahr läuft als die Wölfe. Denn die Schweine ſehen in fremden Hunden ſo nahe Verwandte der von ihnen gefürchteten Raubtiere, daß ſie ſich ebenſogut auf jene ſtürzen wie auf dieſe und, einmal wütend geworden, auch den zum Schube ſeiner treuen Gehilfen herbeieilenden Jäger niht ſchonen. Selbſt einzelne Schweine kämpfen auf Leben und Tod, ehe ſie ſih dem Wolfe ergeben. Nur die Schafe fügen ſich ergeben in das Unvermeidliche. „Hat der Wolf bemerkt“, ſchildert Kohl weiter, „daß Schäfer und Hunde nicht zur Hand ſind, ſo pat er das erſte, beſte Schaf und reißt es nieder. Die übrigen fliehen 200—300 Schritt weit, drängen ſih diht zuſammen und gaffen mit