Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

28 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

Leichen der auf einer Jagd erlegten und hingeworfenen Wölfe, welche no dazu abgefellt ſind? Als junger Mann habe ih das furchtbare, wehtlagende Heulen der alten Wölfe an den Leichnamen ihrer Fungen einmal gehört und das Verfahren der älteren Jäger verdammt, auh niht na<hgeahmt.“ Dieſer Mitteilung ſtehen andere entgegen: Funge Wölfe, deren Mutter man getötet hatte, verſhwanden ſpurlos und fanden höchſt wahrſcheinlich in den Magen älterer Artgenoſſen ihr Grab. Wenn junge Wölfe im Baue oder Lager von älteren nicht behelligt werden, ſo dürfte dies wohl mehr der mißtrauiſhen Vorſicht der Mutter als der Vaterliebe des Wolfes zu danken ſein. Kade ſcheint die Meinung zu hegen, daß leßterer zur Ernährung der Jungen mit beitragen helfe, unterſtüßt ſeine Anſicht jedoch nicht dur überzeugende Belege, ſo daß ih auch dieſen Punkt noh teineswegs als erledigt betrachte. Erſt ſpäter, nachdem die Jungen bereits den älteren Wölfen zugeführt worden ſind, nehmen dieſe ſi ihrer an, beantworten mindeſtens gewiſſenhaft ihr ungefüges Geplärr mit ſ{hulgere<tem Geheul, warnen und leiten ſie bei Gefahr und flagen erbärmlih über ihren Verluſt.

Durch vielfache Verſuche iſt es zur Genüge feſtgeſtellt, daß dur Paarung des Wolfes mit der Hündin oder des Hundes mit der Wölfin Blendlinge entſtehen, welhe wiederum fruchtbare Junge erzeugen. Dieſe Baſtarde halten niht immer die Mitte zwiſhen Wolf und Hund, und auc die Jungen eines Wurfes ſind ſehr verſchieden. Jn der Regel ähneln ſie mehr dem Wolfe als dem Hunde, obwohl ebenſo hundeähnliche vorkommen. Ungeachtet aller Abneigung, welche zwiſchen Wolf und Hund beſteht, paaren ſich beide, und zwar ebenſowohl in der Gefangenſchaft wie im Freien, ohne Zuthun des Menſchen. Jn galiziſchen Walddörfern ſtellt ſih zuweilen ein Wolf als Mitbewerber bei einer läufiſchen Hündin ein, und ebenſo ſollen Hunde manhmal brünſtigen Wölfinnen nahgehen. Die Wolfsähnlichkeit vieler Haushunde in Ungarn, Siebenbürgen, Rußland und Sibirien wird auf derartige Kreuzungen zurücgeführt.

JUng aufgezogene und verſtändig behandelte Wölfe werden ſehr zahm und zeigen innige Anhänglichkeit an ihren Herrn. Cuvier berichtet von einem Wolfe, welcher wie ein junger Hund aufgezogen worden war und nach erlangtem Wachstum von ſeinem Herrn dem Pflauzengarten geſchenkt wurde. „Hier zeigte er ſih einige Wochen lang ganz troſtlos, fraß äußerſt wenig und benahm ſi vollkommen gleihgültig gegen ſeinen Wärter. Endlich aber faßte er eine Zuneigung zu denen, welche um ihn waren und mit ihm ſi beſchäftigten, ja es ſchien, als hätte er ſeinen alten Herrn vergeſſen. Letterer kehrte nah einer Abweſenheit von 18 Monaten nah Paris zurü>. Der Wolf vernahm ſeine Stimme troß dem geräuſ<hvollen Gedränge und überließ ſich, nahdem man ihn in Freiheit geſeßt hatte, Ausbrüchen der ungeſtümſten Freude. Er wurde hierauf von ſeinem Freunde getrennt, und von neuem war er wie das erſte Mal tiefbetrübt. Nach dreijähriger Abweſenheit kam der Herr abermals nach Paris. Es war gegen Abend und der Käfig des Wolfes völlig geſchloſſen, ſo daß das Tier nicht ſehen konnte, was außerhalb ſeines Kerkers vorging; allein ſowie es die Stimme des nahenden Herrn vernahm, brach es in ängſtliches Geheul aus, und ſobald man die Thür des Käfigs geöffnet hatte, ſtürzte es auf ſeinen Freund los, ſprang ihm auf die Schultern, le>te ihm das Geſicht und machte Miene, ſeine Wärter zu beißen, wenn dieſe verſuchten, ihn wieder in ſein Gefängnis zurü>zuführen. Als ihn endlich ſein Erzieher wieder verlaſſen, erkrankte er und verſhmähte alle Nahrung. Seine Geneſung verzögerte ſi ſehr lange; es war dann aber immer gefährlih für einen Fremden, ſih ihm zu nähern.“

Ähnliches wird von einer ſ{hwediſchen Tierfreundin, Katharine Bedoire, erzählt: „Vei Gyſinge kaufte mein Mann im Jahre 1837 drei junge Wölfe, welche eben das Vermögen, zu ſehen, erhalten hatten. Jch wünſchte, dieſe kleinen Geſchöpfe einige Zeit behalten zu dürfen. Sie blieben ungefähr einen Monat bei einander und hatten während dieſer Zeit