Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Wolf: Junge. Kreuzungen. Zähmbarkeit 29

ihre Wohnung in einer Gartenlaube. Sobald ſie mi<h im Hofe rufen hörten: „Fhr Hündhen!‘ famen ſie mit Gebärden von Freude und Zuthulichkeit, die zum Verwundern waren. Nachdem i ſie geſtreichelt und ihnen Futter gegeben hatte, kehrten ſie wieder in den Garten zurü>. Nach Verlauf eines Monats wurde das eine Männchen an den Gutsbeſißer von Uhx und das Weibchen an den Gutsbeſißer Thore Petree verſchenkt. Da dasjenige, welches wir ſelbſt behielten, nun einſam und verlaſſen war, nahm es ſeine Zuflucht zu den Leuten des Gehöftes; meiſtens jedoch folgte es mir und meinem Gatten. Sonderbar war es, wie dieſer Wolf zutraulich wurde, daß er ſich, ſobald wir zuſammen ausgingen, neben uns legte, wo wir ruheten, aber niht duldete, daß irgend jemand ſi< uns auf mehr als 20 Shritt nahete. Kam jemand näher, ſo knurrte er und wies die Zähne. Sowie ih nun auf ihn ſchalt, le>te er mir die Hände, behielt aber die Augen auf die Perſon gerichtet, welche ſi< uns nähern wollte. Er ging in den Zimmern und in der Küche umher wie ein Hund, war den Kindern ſehr zugethan, wollte ſie leen und mit ihnen ſpielen. Dies dauerte fort, bis er 5 Monate alt und bereits groß und ſtark wax, und mein Mann beſ<hloß, ihn anzubinden, aus Furcht, daß er bei ſeinem Spielen mit den Kindern dieſelben mit ſeinen ſcharfen Klauen rigen oder ſie einmal blutend finden und dann Luſt bekommen könnte, ſ{hlimmer mit ihnen zu verfahren. Fndes ging er auh nachher no< oftmals mit mir, wenn ih einen Spaziergang machte. Er hatte ſeine Hütte bei der Ciſenniederlage, und ſobald im Winter Kohlenbauern kamen, kletterte er auf die Steinmauern hinauf, wedelte mit dem Schwanze und ſchrie laut, bis ſie herzukamen und ihn ſtreichelten. Hierbei war er jederzeit angelegentlih beſchäftigt, ihre Taſchen zu unterſuchen, ob ſie etwas bei ſih hätten, was zum Freſſen taugte. Die Bauern wurden dies ſo gewohnt, daß ſie ſich damit beſchäftigten, Brotbiſſen bloß zu dem Zwee in ihre Rotaſchen zu ſte>en, um ſie den Wolf darin ſuchen zu laſſen. Dies verſtand er denn auch rect gut, und ex verzehrte alles, was man ihm gab. Außerdem fraß er täglich drei Eimer Futter. Bemerkenswert war es auch, daß unſere Hunde anfingen, mit ihm aus dem Eimer zu freſſen; kam aber irgend ein fremdes Tier und wollte die Speiſe mit ihm teilen, ſo wurde er wie unſinnig vor Zorn. Jedesmal, wenn er mi im Hofe zu ſehen bekam, trieb er ein arges Weſen, und ſobald ih zur Hütte kam, richtete er ſih auf die Hinterläufe empor, legte die Vorderpfoten auf meine Schultern und wollte mich in ſeiner Freude bele>en. Sowie ih wieder von ihm ging, heulte er vor Leidweſen darüber. Wir hatten ihn ein Jahr lang; da er aber, als er ausgewaſen war, des Nachts arg heulte, ſo beſhloß Bedoire, ihn totſchießen zu laſſen. — Mit dem Wolfe, welchen der Gutsbeſizer von Uhr erhielt, ereignete ſich der merkwürdige Umſtand, daß er mit einem der Jagdhunde ſeines Beſizers in derſelben Hütte zuſammen wohnte. Der Hund lag jede Nacht bei ihm, und ſobald er Fleiſch zu freſſen bekam, vermochte er es niemals über ſich, es ganz allein aufzuzehren, ſondern trug es in dieHütte zum Wolfe, welcher ihm dabei allezeit mit freundlicher Gebärde entgegenkam. Nicht ſelten geſchah es, daß auh der Wolf ſeinen Freund auf dieſelbe Weiſe belohnte.“

Zh habe dieſe Geſchichten ausführlih mitgeteilt, weil mir Wölfe, welche ih gepflegt und beobachtet, Belege für die Wahrheit jener Mitteilungen gegeben haben. Ein Wolf im Breslauer Tiergarten war ebenſo zahm wie mancher Hund, begrüßte meinen Berufsgenoſſen Schlegel auf das freundlicſte, ſobald er ihn ſah, le>te ihm die Hände, welche ſein Gebieter ihm ohne Scheu dur das Gitter ſtre>te, und benahm ſich au< anderen Bekannten gegenüber ſtets artig und liebenswürdig; ſein Käfiggenoſſe dagegen lebte mit S<hlegel in einem abſonderlichen Verhältnis, ſtre>te auf Verlangen ſeinen Schwanz durch das Gitter, fnurrte und zürnte jedoch, ſobald dieſer berührt wurde, und klappte das Gebiß laut hörbar zuſammen, ohne damit übrigens den Eindru> eines Terzerolſchuſſes hervorzubringen, wie der geſühlsüberſhwenglihe Maſius gutmütigen Leſern glauben machen will. Aller Zorn