Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

930 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

gedachten Wolfes war aber nichts anderes als Schein und Heuchelei. Denn wütend fiel der ſonderbare Geſell über ſeinen Gefährten her, wenn S<hlegel, ſcheinbar entrüſtet über das unwirſche Gebaren, jenem \{<meicelte und ihn ferner niht berüdſihtigte, und wahrhaft zudringlich ſtre>te er nunmehr die Lunte zwiſchen den Eiſenſtäben hindur<, um ſi bemertlih zu machen. Er will beachtet ſein, ſelbſt eine Ne>erei ertragen, nur nicht vernachläſſigt werden. So viel läßt ſih niht bezweifeln: der Wolf iſt der Erziehung fähig und der Zähmung, d. h. de? Umgangs mit vorurteilsfreien Menſchen, nicht unwürdig. Wer mit ihm zu verkehren verſteht, kann aus ihm ein Tier bilden, welches dem Haushunde im weſentlichen ähnelt. Ein freies Tier muß aber freilih anders behandelt werden als ein ſeit undenklichen Zeiten unter Botmäßigkeit des Menſchen ſtehendes Geſchöpf.

„Wiewol der Wolff“, ſagt der alte Gesner, „nit umſonſt, und nit ohne gar keine Nubbarkeit gefangen und getödet wird, ſo iſt doh der Schad, den er bey ſeinem Leben Menſchen und Vieh anthut, viel gröſſer, weßwegen jm, ſo bald man ihn ſpühret, ohne Verzug, von männiglichen nachgeſtellt wird, biß er entweder mit gewiſſen Fnſtrumenten, oder Gruben, Gifft und Aas, oder mit Wolffsfallen, Angeln, Stri>en, Garnen und Hunden, Geſchoß und dergleichen gefangen und getödtet werde.“ Kürzer und bündiger kann man den Vernichtungsfrieg, welcher gegen Fſegrim geführt wird und von jeher geführt wurde, nicht darſtellen.

„Wolffen und Beeren, an den brichet nyemand keynen Frid“, ſo lautet das Geſe Karls des Großen, deutſch überſeßt in der zu Straßburg 1507 erſchienenen Ausgabe des „Sachſenſpiegels“. Wer einen zahmen Wolf oder Hirſh oder Vären oder einen biſſigen Hund hielt, mußte nah demſelben Geſeße den Schaden, welchen ein ſoles Tier anrichtete, bezahlen: „Wer behaltet einen anfelligen Hund oder einen czamen Wolff oder Hirß, oder Beeren, 1a ſig iht ſchaden thund, das ſoll der gelten (bezahlen), des ſy ſeind.“

Zur Vertilgung des Wolfes gelten alle Mittel, Pulver und Blei ebenſogut wie das tüdiſh geſtellte Gift, die verräteriſche Schlinge und Falle, der Knüppel und jede andere Waffe. Die meiſten Wölfe werden wohl mit Stry<hnin getötet. Wenn im Winter die Nahrung zu mangeln beginnt, bereitet man ein getötetes Schaf zu und legt es aus. Das Tier wird abgeſtreift und das Gift in kleinen Mengen überall in das aufgeſhnittene Fleiſch eingeſtreut. Dann zieht man die Haut wieder darüber und wirft den Köder auf den bekannten Wechjelſtellen der Wölfe aus. Kein Wolf frißt ſich an einem derartig vergifteten Tiere ſatt, weil er ſehr bald die Wirkung des Giftes verſpürt und ihr erliegt. Dieſe Vertilgungsart iſt wohl die ergiebigſte. Vorteilhaft ſind auh die Fallgruben, etwa 3 m tiefe Löcher von ungefähr 2,5 m Durchmeſſer. Man überde>t ſie mit einem leihten Dache aus ſ{hmalen, biegſamen Zweigen, Moos und dergleichen und bindet in ihrer Mitte einen Köder an. Damit der Wolf nicht Zeit habe, vorher lange Unterſuchungen zu machen und ein des Weges kommender Menſch geſichert ſei, wird die Grube mit einem hohen Zaune umgeben, über welchen jener, um zur Beute zu gelangen, mit einem Saße wegſpringen muß.

Jn volkreichen Gegenden bietet man die Mannſchaft zu großartigen Treibjagden auf. Die Auffindung einer Wolfsſpur war und iſt das Zeichen zum Aufbruch ganzer Gemeinden. Die Schweizer Chronik erzählt: „Sobald man einen Wolf gewahr wird, ſhle<ht man Sturm über ihn, alsdann empört ſich eine ganze Landſchaft zum Gejägt, bis er umgebracht oder vertrieben iſt.“ Feder waffenfähige Mann war verpflichtet und übte gern dieſe Pflicht, an der Wolfsjagd teilzunehmen. Fn den größeren Förſtereien Polens, Poſens, Oſtpreußens, Litauens 2c. hat man eigens zur Wolfsjagd breite Schneiſen dur<h den Wald gehauen und dieſen dadur<h in kleinere Viere>e abgeteilt. Die drei Seiten eines ſolhen Viere>s, welche unter dem Winde liegen, werden, ſobald Wölfe geſpürt worden ſind, mit Schüßen beſtellt und auf der anderen Seite die Treiber hineingeſchi>t. Gewöhnlich erſcheint der Wolf ſchon nah dem erſten Lärm äußerſt vorſichtig, meiſt langſam trabend, an der Schüßenlinie, wo