Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

32 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

Hornſcheide überde>t; dieſe ſit aber ſo lo>er auf, daß ein einziger Slag auf das Fell des Wolfes genügt, ſie abzuwerfen. Nunmehr bekommt das Raubtier ſo viele Stiche, als erforderlich ſind, ihm ſeine Raubluſt für immer zu verleiden. Bei weitem die meiſten Wolfsfelle/ welche aus Norwegen kommen, rühren von den Lappen her und werden auf dieſe Weiſe erlangt.

Zm waadtländiſchen Jura ſteht die Wolfsjagd, laut Tſchudi, einer beſtimmten Geſellſhaft zu, welche ihre Beamten, Sißungen und Gerichtsbarkeit hat. Poſaunen verkünden den Tod eines Wolſes im Dorfe; ſodann folgt auf Koſten ſeines Pelzes ein großes Feſt, und dabei wird derjenige, welcher den Befehlen des Führers zuwider gehandelt hat, mit Waſſertrinken beſtraft und mit ſtrohernen Ketten gebunden. Da man nurx dann Mitglied der Geſellſchaft werden kann, wenn man bereits drei glü>lihe Wolfsjagden mitgemacht hat, pflegen die Väter ſhon kleine Kinder auf dem Arme zur Wolfsjagd mitzunehmen.

Der größte Nußen, welchen wir vom Wolfe ziehen können, beſteht in Erbeutung ſeines Winterfelles, welches, wie bekannt, als gutes Pelzwerk vielfah angewendet wird. Die beſten und größten Felle kommen, nah Lomer, aus Skandinavien, dem nördlihen Rußland, Sibirien und dem Norden Chinas und werden mit 10—25 Mark bezahlt; die aus den übrigen Ländern des europäiſchen Verbreitungsgebietes ſtammenden Felle gelten bloß $—8 Mark. Rußland und Sibirien liefern jährlih 20—25 000 Stü> in den Handel. Außerdem gewähren viele Regierungen noch ein beſonderes Schußgeld für den getöteten Wolf, gleichviel ob er erſchoſſen, erſchlagen, gefangen oder vergiftet worden iſt. Außer dem Pelze verwendet man aber auch die Haut hier und da zu Handſchuhen, Pauken- und Trommelkfellen. Das grobe Fleiſh, welches niht einmal die Hunde freſſen wollen, wird bloß von den Kalmü>en und Tunguſen gegeſſen.

vn Spanien, wo das Fell, wie erklärlih, keinen großen Wert hat, macht ſih der Jäger auf andere Weiſe bezahlt. Sobald er nämlih einen Wolf erlegt hat, ladet er ihn auf ein Maultier und zieht nun mit dieſem von Dorf zu Dorf, zunächſt zu den größeren Herdenbeſißern, ſpäter aber, nahdem der Wolf vielleicht bereits ausgeſtopft worden iſt, au von Haus zu Haus, zum größten Entzücken der lieben Jugend. Die größeren Herdenbeſißer bezahlen bedeutende Summen für einen erlegten Wolf, und ſomit kann es kommen, daß der Jäger, der vom Glücke begünſtigt wird und ſeinen Vorteil auszunußen verſteht unter Um= ſtänden eine verhältnismäßig hohe Summe einheiniſt.

Eher als Rohrwolf und Tſchango ſcheint ſih der über die ganze Nordhälfte Amerikas verbreitete Wechſelwolf oder Falbwolf (Canis [Lupus] occidentalis, Canis griseus, albus, rufus, ater, variabilis, gigas, nubilus, mexicanus) als eine Art herauszuſtellen, obſchon dies no< keine8wegs erwieſen iſt. Das Tier ſoll ſtämmiger gebaut ſein, eine di>ere und ſtumpfere Schnauze, größeren und rundlicheren Kopf, kürzere und ſpißere Ohren haben und mit dichteren, längeren und weicheren Haaren bekleidet ſein als unſer Wolf; alles dies aber ſind Unterſheidungsmerkmale von zweifelhaftem Werte. Die Färbung des Pelzes durchläuft wie bei unſerem Wolfe alle Schattierungen von Falbweiß dur< Fahl“ rot bis zu Schwarz: ich habe deshalb den ihm vom Prinzen von Wied beigelegten Namen (variabilis) zu ſeiner deutſchen Benennung gewählt; vielfah wird er auh Timberwolf genannt. Seine Verbreitung erſtre>t ſi< von Mexiko an nordwärts über das Feſtland und benahbarte Fnſeln, mit Ausnahme der Königin Charlotte-Fnſeln im Nordweſten. Heimiſh iſt er ferner auf den im Norden des Feſtlandes gelegenen Fnſeln und ebenſo in Weſtgrönland, während ex in Oſtgrönland zu fehlen ſcheint.

Der Wechſelwolf ähnelt ſeinem öſtlihen Verwandten in jeder Hinſicht, bekundet dasſelbe Weſen, dieſelbe Kraft, Frechheit und Feigheit wie jener. Jm Käfige mat er die