Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Wolf. Wehſelwolf. JFundiſher Wolf. 33

ſonderbarſten Bewegungen und flüchtet ſich gewöhnlih furhtſam in die E>en, wagt auh nie, ſeinen Wärter anzugreifen. Dieſes Betragen zeigt er am erſten Tage ſeiner Einkerferung. Ein Landwirt, ſo erzählt Audubon als Augenzeuge, wel<her ſehr viel von dieſen Strolchen auszuſtehen gehabt hatte, legte endlih mehrere Gruben um ſeine Beſizungen an. In die eine waren eines Tages drei große Wölfe gefallen, zwei ſhwarze und ein gefle>ter. Zum nict geringen Erſtaunen aller ging der Pachter ruhig in die Grube, pate die Wölfe an den Hinterläufen, als ſie zitternd auf dem Boden lagen, dur<ſ<hnitt mit ſeinem Meſſer die Achillesſehnen, um die Tiere an der Flucht zu hindern, und tötete ſie erſt dann mit größter Ruhe. Freiherr von Thielmann bezeihnet dieſen Wolf ausdrüd>li<h als vollfommen ungefährli<h für den Menſchen, wenigſtens nah ſeinen Erfahrungen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Mexiko.

Nach Lomer ſtehen die großen Felle aus Labrador am höchſten im Werte: \{<hwarze, bläuliche und reinweiße gelten 60 —100 Mark, gewöhnlihe graue 20 —25 Mark, die aus den Gegenden der Hudſonbai ſtammenden werden mit 10—25 Mark bezahlt. Es kommen jährlich etwa 10—15,000 Stü in den Handel, wobei freilich, wie es ſcheint, die Felle vom Heul- oder Prairiewolfe mit inbegriffen ſind.

Eine ähnliche Rolle wie unſer Wolf in ſeinem Wohngebiete ſpielt in ausgedehnten, jenſeits des Jndus gelegenen Ländern der indiſche Wolf, der Bighana, Bagyar, Landga der Eingeborenen (Canis [Lupus] pallipes), der, merklit fleiner als der unſere, bei einer Schulterhöhe von 65 em nur eine Geſamtlänge von etwa 130 em erreicht, wovon 40 cm auf den Schwanz entfallen. Das Gewicht eines weiblichen Tieres wurde zu 20 kg beſtimmt. Seine Färbung iſt in der Regel bräunlicher als die ſeines Verwandten und ſchwankt von Graurot mit bräunlichem Anfluge bis faſt zu Roſtrot, obwohl dieſe Schattierung verhältnismäßig ſelten vorkommt. Bei manchen Stücken iſt der Rücken viel dunkler, bei allen die Unterſeite <mutig weiß geſärbt.

Die Verbreitung des indiſchen Wolfes iſ auf Vorderindien beſchränkt, er fehlt jedoch der Malabarküſte und dem Himalaja, wird auh niht auf Ceylon gefunden. Fn Unterbengalen iſt er ſelten, weiter oſtwärts unbekannt, auch ſcheint er bloß ausnahm3weiſe weſtlich vom Indus aufzutreten, alſo in das Verbreitungsgebiet des gemeinen Wolfes einzudringen. Mit Vorliebe hauſt er in ebenen, dürftig bewachſenen Landſchaften, tritt jedenfalls in hügeligen und bewaldeten Gegenden weit ſeltener auf. Blanford, der eingehend über ihn berichtet, nennt ſein Weſen und Treiben ſehr ähnlich dem des gemeinen Wolfes, nur ſoll er niemals in ſo zahlreihen Meuten wie dieſer, ſondern höchſtens zu 6 und 8 Stück vereint umherſhweifen, au< um vieles ſtiller ſein; wenigſtens wird ſein Geheul ſehr ſelten vernommen. FZerdon führt an, daß er man<hmal wie die Pariahunde Laut gebe, Seine Nahrung beſteht in allem Getier, das er bewältigen kann; doh zeigt er eine entſchiedene Vorliebe für Antilopen, Schafe und Ziegen, nimmt dabei auh Hafen wie Füchſe und ſoll ſih gelegentlih ſogar über Rinder hermachen. Hunde ſind durch ihn ſehr gefährdet, ebenſo, nah vielen einmütigen Zeugniſſen, au<h Kinder und gelegentli< ſogar erwahſene Perſonen. Nach den amtlichen Angaben ſind in den 10 Fahren von 1877—86 in JFndien 3804 Menſchen dur dieſe Wölfe getötet worden, und zwar betrug der höchſte Jahresverluſt (1878) 845, der niedrigſte (1886) 222 Perſonen.

Bei ihren Jagden gehen auch die indiſhen Wölfe ſehr flug und liſtig, man<hmal auh re<t fre< zu Werke. Blanford ſah einen am hellen Tage eine junge Ziege mitten aus einem Dorfe rauben und trog der ihn ſofort verfolgenden Dörfler glü>lih davontragen. Als ſchnelle und ausdauernde Läufer betreiben ſie auh Hebjagden, verſuchen jedoh zunächſt dur \<lau durchgeführte Anſchläge ſi<h weſentliche Vorteile zu ſihern. So ſollen ſie ſich

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Brehm, Tierleben. 3. Auflage. II.