Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Darwin: Über den Urſprung der Haushunde. 81

Zuſtande bis zu einem gewiſſen Grade unfruchtbar ſein ſollen, während alle Haushunde, ſoweit es überhaupt bekannt iſt, gegenſeitig untereinander fruchtbar ſind. Doch hat bereits Broca mit Recht bemerkt, daß die Fruchtbarkeit aufeinander folgender Geſchlechter verbaſtardierter Hunde niemals mit der Sorgfalt unterſuht worden iſt, wel<he man bei der Kreuzung von Arten für unentbehrlih hält. Thatſachen berehtigen zu dem Schluſſe, daß die geſ<le<tlihen Empfindungen und das Erziehungsvermögen unter verſchiedenen Hunderaſſen bei der Kreuzung verſchieden ſind. So liebt der mexikaniſche Allco offenbar Hunde anderer Arten nicht; der haarloſe Hund von Paraguay vermiſcht ſih, laut Rengger, weniger mit euvopäiſhen Raſſen als dieſe untereinander; der deutſche Spizhund ſoll den Fuchs leichter zulaſſen, als andere Raſſen es thun; weiblihe Dingos lo>ten Füchſe an 2c. Dieſe Angaben würden, falls man ſih auf ſie verlaſſen kann, für einen gewiſſen Grad von Verſchiedenheit in den geſhle<tlihen Neigungen der Hunderaſſen ſprehen. Doch tritt ihnen die Thatſache entgegen, daß unſere gezähmten, im äußeren Bau ſo weit voneinander verſchiedenen Hunde untereinander viel fruchtbarer ſind, als wir von ihren angenommenen Stammeltern es wiſſen. Pallas nimmt an, eine längere Dauer der Zähmung beſeitige dieſe Unfruchtbarkeit, und wenn man auch zur Unterſtüßung gedachter Annahme keine beſtimmten Thatſachen anführen kann, ſheinen unſere Erfahrungen über die Hunde ſo ſtark zu gunſten der Anſicht zu ſprechen, daß unſere gezähmten Hunde von mehreren wilden Stämmen herrühren, und i bin deshalb geneigt, die Wahrheit jener Annahme zuzugeben. Hiermit im Zuſammenhange ſteht, daß unſere gezähmten Hunde nicht vollkommen fruchtbar mit ihren angenommenen Stammarten ſind; doh ſind Verſuche in dieſer Richtung noh nicht ordentlich angeſtellt worden. Man ſollte den ungariſchen Hund, welcher dem äußeren Anſehen nah dem Wolfe ſo ſehr gleicht, mit dieſem, die Pariahunde Fndiens mit indiſhen Wölfen und Schakalen kreuzen und ebenſo in anderen Fällen verfahren. Daß die Unfruchtbarkeit zwiſchen gewiſſen Hunderaſſen und Wölfen und anderen Wildhunden nur gering iſt, beweiſen die Wilden, welche ſih die Mühe geben, ſie zu kreuzen. Buffon erhielt vier aufeinander folgende Geſchlechter von Wölfen und Hunden, und die Blendlinge waren untereinander vollkommen fruchtbar; Flourens dagegen fand nach zahlreichen Verſuchen, daß die Blendlinge zwiſchen Wolf und Hund miteinander gekreuzt im dritten Geſchlechte und die von Schakal und Hund im vierten Geſhlechte unfru<htbar wurden. Freilich aber befanden ſich dieſe Tiere in enger Gefangenſchaft, welche viele wilde Tiere bis zu einem gewiſſen Grade oder ſelbſt völlig unfru<htbar macht. Dingos, welche ſi< in Auſtralien ohne weiteres mit unſeren eingeführten Hunden fortpflanzten, zeugten troß wiederholter Kreuzungen mit Hunden im Pariſer Pflanzengarten feine Blendlinge. Bei den von Flourens angeſtellten Verſuchen wurden die BVlendlinge wohl auf drei oder vier Geſchlechter hindurch in engſter Fnzucht miteinander gekreuzt, ein Umſtand, welcher faſt ſicher die Neigung zur Unfruchtbarkeit vermehrt haben wird, wenn auch das Endergebnis \ſi< kaum erkennen läßt. Vor mehreren Fahren ſah ih im Londoner Tiergarten den weiblichen Blendling eines engliſchen Hundes und eines Shakals, welcher ſelbſt im erſten Geſchlechte ſo unfruchtbar war, daß er nicht einmal die Brunſtzeit regelmäßig einhielt. Doh war dieſer Fall gegenüber den zahlreichen Beiſpielen fruhtbarer Baſtarde von beiden Tieren ſicher eine Ausnahme. Bei allen Verſuchen über die Kreuzung von Tieren gibt es noc ſo viele Urſachen zum Zweifel, daß es außerordentli< ſhwierig iſt, zu irgend welchem beſtimmten Schluſſe zu gelangen. Jndes ſcheint doch hervorzugehen, daß diejenigen, welche unſere Hunde für die Nachkommen mehrerer Arten halten, nicht bloß zugeben müſſen, deren Nachkommen verlören bei lange währender Züchtung alle Neigung zur Unſruchtbaxkeit bei einer gegenſeitigen Kreuzung, ſondern auch, daß zwiſchen gewiſſen Raſſen von Hunden und einigen ihrer angenommenen Stammeltern ein gewiſſer Grad von Unfruchtbarkeit erhalten geblieben oder möglicherweiſe ſelbſt erlangt worden iſt. Brehm, Tierleben. 3, Auflage. IT. 6