Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Nashovn: Sinne. Begabung. Fortpflanzung. TOTS

ſie no< ganz andere Beweiſe ihres Verſtandes liefern, wollte man ſi< überhaupt Mühe geben, mit ihnen zu verkehren, ihren Geiſt zu we>en und zu bilden, anſtatt einfa für ihre unabweislihſten Bedürſniſſe zu ſorgen und ſie im übrigen anzuſtaunen oder gleichgültig ſih ſelbſt zu überlaſſen. |

Über die Fortpflanzung der Nashörner fehlen zur Zeit noch erſchöpfende, genauen Beobachtungen entſprungenen Berichte. Bei der indiſchen Art ſoll die Paarung in die Monate November und Dezember fallen und der Wurf, nach einer Tragzeit, deren Dauer auf 17—18 Monate zu veranſchlagen wäre, im April oder Mai erfolgen. Der Paarung gehen zuweilen gewaltige Kämpfe unter den Männchen voraus. So ſah Andersſon vier männliche Nashörner im wütendſten Kampfe, erlegte zwei und fand, daß ſie mit Wunden bede>t und infolge deren niht im ſtande waren, ſi ſatt zu freſſen. Das Nashorn bringt ein einziges Junges zur Welt: ein kleines, plumpes Vieh, von der Größe eines halbwüchſigen Schweines, welches mit offenen Augen geboren wird. Seine rötliche Haut iſ noch faltenlos, der Anſaß zum Horne aber ſchon vorhanden.

Zufällig iſt unſere Kunde über die erſten Tage des Kindeslebens eines Nashornes in neuerer Zeit niht unweſentli<h bereichert worden. Am 7. Dezember 1872 gelangte, wie Bartlett berichtet, ein altes weiblihes Badak-Nashorn von Singapur nah London. Das Tier war etwa 7 Monate zuvor gefangen und, na< Ausſage der Fänger, kurz vorher belegt worden. Am Tage ſeiner Ankunft gegen 7 Uhr abends, vernahm der Wärter zu ſeiner Überraſchung ein ſhwaches Quieken, welches aus dem Behälter des Nashornes zu kommen ſchien. Bei Beſichtigung des Tieres ergab ſich, daß es ſoeben ein Junges geworfen hatte und gerade beſchäftigt war, die Nabelſchnur, mittels welcher leßteres no< an ihm hing , zu zerbeißen. Zur Verwunderung des Wärters zeigte ſih die bisher ſehr ungebärdige Alte ruhig und ſanft, erlaubte ihm fogar, nachdem er ſie angerufen hatte / in den Verſchlag zu treten, ſie zu melken und ihr ſpäter das Junge an das Euter zu legen. Als Bartlett am anderen Morgen an Bord kam, war man eben beſchäſtigt Mutter und Kind zu landen. Auf ſeinen Rat trennte man beide, um zu verhüten, daß die Alte beim Verrücken und Umladen des Behälters das Kleine erdrüce oder beſchädige. Kaum aber ſtand der ſchwere Verſandkäfig glücli<h auf dem Wagen, als die Mutter ſo unruhig wurde, daß man ſih genötigt ſah, ihr das Kind zurückzugeben. Der Wärter begab ſich ebenfalls in den Käfig und verblieb hier während der ziemli<h langen Fahrt von den Dots bis zu den Ställen des betreffenden Händlers und Beſißers. Hier verging eine geraume Zeit, bevor man die Alte abgeladen und im Stalle eingepfer<t hatte, und man hielt es für geraten, das Junge einſtweilen in dem Geſchäftszimmer unterzubringen, hatte jedoh ſeine liebe Not mit ihm, um unerlaubten kindiſchen Gelüſten zu ſteuern.

Sobald man die Mutter glü>li< eingeſtellt hatte , gab man ihr das Junge zurü>. Es begann auc ſofort zu ſaugen, verließ, na<dem es ſein Bedürfnis befriedigt hatte, die Alte, wandte ſih einem dunkeln Winkel zu und legte ſih hier zur Ruhe nieder, ganz, wie viele Wiederkäuer zu thun pflegen, welche von ihren Müttern ſo lange verſte>t werden, als dieſe ihrer Nahrung nachgehen. Beſonders auffallend fand Bartlett die merkwürdige Friedfertigkeit der Alten. Während dieſe vor der Geburt des Jungen ſtets geneigt war, ihren Wärter und jeden anderen , welcher ihr ſih näherte, anzugreifen , erlaubte ſie jeßt dem Pfleger, in den Naum zu treten und ſie zu melken, als wäre ſie die zahmſte Kuh, geſtattete auch ſpäter, als ſie ſich bereits im Stalle befand, anderen, ihr fremden Leuten, zu ihr zu kommen, und nahm ihr geſpendete Liebkoſungen mit derſelben Widerſtandsloſigkeit entgegen wie irgend ein von vielen Leuten verwöhntes und verhätſcheltes Mitglied der vierbeinigen Bewohnerſchaft eines Tiergartens. Nach Bartletts Meinung befand ſie ſich in einem Zu-

ſtande von Geiſtesabweſenheit oder vielleicht in einem ſolchen der Erſchöpfung; möglicherweiſe Brehm, Tierleben. 3. Auflage, Ill. 8