Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Aſchkoko: Kletterfähigkeit. Nahrung. Fortpflanzung. Jagd. 125

daß eine derartige Befähigung, wie ſie bei Kriechtieren und Lurchen vorkommt, bei Säugetieren und Warmblütern überhaupt geradezu unerhört iſt.

Das Betragen der Klippſchliefer deutet auf große Sanftmut, ja faſt Einfalt, verbunden mit unglaublicher Ängſtlichkeit und Furchtſamkeit. Sie ſind höchſt geſellig; denn man ſieht ſie faſt niemals einzeln oder darf, wenn dies wirklich der Fall ſein ſollte, beſtimmt darauf rechnen, daß die übrigen Glieder der Geſellſchaft eben nict zur Stelle ſind. An dem einmal gewählten Wohnplate halten ſie treulih feſt, derſelbe mag ſo groß oder ſo klein ſein, wie er will. Zuweilen genügt ihnen ein einzelner großer Felsblo>; man ſieht ſie höchſtens heute auf dieſer, morgen auf jener Seite desſelben. Bei gutem Wetter lagern ſie ſich reihenweiſe in der faulſten Stellung auf paſſende Steine, die Vorderfüße eingezogen, die hinteren weit ausgeſtre>t, wie Kaninchen manchmal zu thun pflegen. Einige Wachen bleiben aber auch dann ausgeſtellt.

Es ſcheint, daß die Klippſchliefer keine Koſtverächter ſind und verhältnismäßig viel ver zehren. Fhre an würzigen Gebirgs- und Alpenpflanzen reiche Heimat läßt ſie wohl niemals Mangel leiden. F< ſah ſie wiederholt am Fuße der Felſen weiden und zwar ganz in der Weiſe, wie Wiederkäuer zu thun pflegen. Sie beißen die Gräſer mit ihren Zähnen ab und bewegen die Kinnladen ſo, wie die Zweihufer thun, wenn ſie wiederkauen. Einige Forſcher haben geglaubt, daß ſie wirkli die eingenommenen Speiſen no<hmals dur<kauen; ih habe aber hiervon bei allen denen (bei den ruhenden wenigſtens) welche ih ſehr genau beobachten konnte, niemals etwas bemerkt. Wie es ſcheint, trinken ſie niht oder nur ſehr wenig. Zwei Drte in der Nähe des Bogosdorfes Menſa, welche von Klippſchliefern bewohnt ſind, liegen in einer auf bedeutende Stre>en hin vollkommen waſſerloſen Ebene, welche die furchtſamen Tiere ſicherlich nicht zu überſchreiten wagen. Zur Zeit, als ich ſie beobachtete, regnete es freilih no< wiederholt, und ſie bekamen hierdur< Gelegenheit zum Trinken; allein die Bewohner des Dorfes verſicherten mich, daß jene Klippſchliefer auh während der Zeit der Dürre ihre Wohnſißze niht verlaſſen. Dann gibt es nirgends einen Tropfen Waſſer, und höchſtens der Nachttau, mit welchem bekanntlich viele Tiere ſi< begnügen, bleibt noch zur Erfriſchung übrig.

Weil das Weibchen ſe<s Zißen hat, glaubte man früher, daß die Klippſchliefer cine ziemliche Anzahl von Jungen werfen. Fndeſſen hat uns Schweinfurth belehrt, daß es deren zwei und zwar in einem ſehr entwi>elten Zuſtande zur Welt bringt. Dieſe Angabe ſtimmt überein mit einer Mitteilung Reads, welcher im Kaplande mehrmals beobachtete, daß zwei Junge der Alten folgten. J< bezweifelte von jeher die Nichtigkeit jener Anſicht. Unter den zahlreichen Geſellſchaften, welche ih ſah, gab es ſo außerordentli<h wenig Junge, daß man hätte annehmen müſſen, es befänden ſi< unter der ganzen Menge nur 2 oder 3 fortpflanzungsfähige Weibchen, und dies war doch entſchieden nicht der Fall. Auch habe ih niemals beobachtet, daß eine Alte von mehreren Kleinen umringt geweſen wäre. Aus dieſem Grunde glaubte ih annehmen zu dürfen, daß jedes Weibchen nur ein Junges wirft.

Die Jagd der Klippdachſe verurſacht keine Schwierigkeiten, falls man die ängſtlichen Geſchöpfe niht bereits wiederholt verfolgt hat. Es gelingt dem Jäger gewöhnlich, eine der in geeigneter Entfernung ſißenden Wachen herabzudonnern. Nach einigen Schüſſen wird die Herde freilih ſehr ängſtlich, flieht hon von weitem jeden Menſchen und zeigt ſih nur in den höchſten Spalten des Felſens. Unglaublich groß iſt die Lebenszähigkeit der kleinen Geſellen; ſelbſt ſehr ſtark verwundete wiſſen noch eine Kluft zu erreichen, und dann iſt gewöhnlich jedes weitere Nachſuchen vergebens.

Nux in Arabien und in Südafrika werden Klippſchliefer ihres wie Kaninchenfleiſch ſ<me>enden Wildbrets halber gefangen. Auf der Halbinſel des Sinai tiefen die Beduinen eine Grube ab, füttern fie mit Steinplatten aus und richten einen ſteinernen Fallde>el mit