Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Dromedar: Nahrung. Waſſerbedürfnis. Ausdauer. Fabeln. 145

Belieben auszuwählen vermag. Die Nomaden der Bajuda bekümmern ſich zuweilen einen ganzen Monat niht um ihre Kamele, ſondern laſſen ſie nah eigenem Gutdünken ihre Weide ih wählen, und oft kommt es vor, daß dieſe Tiere während der ganzen Zeit nur mit den taufriſchen Blättern und dem Pflanzenſafte ihren Durſt löſchen müſſen. Anders verhält ſi die Sache während der Zeit der Dürre. Man hat behauptet, daß Kamele auh dann noh 14—20 Tage lang des Waſſers entbehren könnten; allein ſolche Erzählungen ſind Fabeln, welche jeder Eingeweihte belächeln muß. Als ih im Dezember 1847 und im Januar 1348 die Bajuda-Wüſte dur<hzog, bekamen unſere Kamele während der achttägigen Reiſe nur ein einzigs Mal Waſſer; aber um dieſe Zeit gab es noc viel Grünes, und die Tiere hielten vortrefflih aus. Als i< aber 2 Jahre ſpäter im Juni beinahe denſelben Weg wanderte, waren die Kamele, welche neben dem Durſte auh no< Hunger zu ertragen hatten, bereits am ſe<ſten und ſiebenten Tage der Reiſe, obwohl wir ſie am vierten getränkt hatten, ſo matt, daß ſie unter uns zuſammenbrachen und nur mit größter Mühe bis an den Nil gebracht werden tonnten, — nur erſt, nachdem wir andere entlaſtet und auf ihnen unſern Ritt fortgeſeßt hatten. Jn der Gluthite der afrikaniſchen dürren Zeit muß ein Kamel auf Reiſen, bei genügendem Futter, hinreichendes Waſſer und mindeſtens alle 4 Tage volle 30—40 Stunden Ruhe haben, wenn es aushalten ſoll. Aber nur in ſeltenen Fällen laſſen es die Araber ſo lange dürſten, gewöhnli< nur dann, wenn einer der Brunnen am Wege, auf deſſen Waſſer man hoffte, inzwiſchen verſiegt iſt. Wir beſißen jedo<h aus neueſter Zeit eine Nachricht, die uns ganz genau darüber belehrt, daß Kamele im Notfalle wirklich eine verhältnismäßig ſehr lange Zeit ohne Waſſer auskommen können. Als F. L. Fames im Januar 1885 mit ſeiner Expedition durch das innere Somalland zog, legten ſeine 103 Laſtkamele den 340 km weiten Marſch von Burao nah Gerloguby in 13 Tagen zurü>, ohne einen Tropfen Waſſer zu erhalten. Allerdings brannte um dieſe Zeit die Sonne nicht ſcheitelreht auf die Karawane nieder, ſondern hatte ihre größte ſüdliche Abweichung erreicht; da aber überhaupt eine große Dürre herrſchte und die Kamele bloß ſ{<le<tes Futter fanden, iſt ihre Leiſtung denno< außerordentli<h groß.

In früheren Zeiten glaubte man, dieſe Genügſamkeit des Kameles, was das Trinken anbelangt, aus ſeiner eigentümlichen Bildung des Magens erklären zu können. Man meinte, daß die großen Zellen in den beiden erſten Magenabteilungen als Waſſerbehälter angeſehen werden dürften, und in manchen älteren Reiſebeſchreibungen iſt zu leſen, daß die Reiſenden in der Wüſte im allerleßten Notfalle in dem Magen ihres Kamels no<h Waſſervorräte finden könnten. Jh habe, obgleich ih von Hauſe aus an ſolchen Geſchichten zweifelte, mit aller Abſicht alte, in der Wüſte ergrauete Kamelführer befragt: kein einziger wußte von dieſer Geſchichte etwas, kein einziger hatte jemals ſol< eine ungeheure Lüge auh nur erzählen hören. Und ſpäter habe ih mich beim S<hlachten der Kamele, welche noh am Tage vorher getränkt worden waren, ſelbſt überzeugt, daß es ganz unmöglich iſt, Waſſer zu trinken, welches tagelang mit den im Magen aufgehäuften Nahrungsſtoffen und dem Magenſafte vermengt war. Das ganze Kamel hat einen widerwärtigen Geruch; ſolher Magenbrei aber muß ſelbſt einem Halbverdurſteten unüberwindlichen Ekel erregen. Der Geſtank eines friſh aufgebrochenen Kamelmagens iſt geradezu unerträglich.

Wahrhaft luſtig ſieht es aus wenn ermüdete, hungrige und ermattete Kamele in die Nähe eines Brunnens oder Fluſſes gelangen. Sie heben die Köpfe hoh empor, ſ{<nüffeln mit halb zugekniffenen Augen in die Luft, legen die Ohren zurü> und beginnen nun plößlih zu laufen, daß man ſi feſt im Sattel halten muß, um niht herausgeſ<hleudert zu werden. Kommen ſie dann zum Brunnen, ſo drängen ſie ſi< an das Waſſer und beginnen ſih dem Genuſſe des Trinkens hinzugeben. Jhr Leib {willt dabei augenſcheinli< an, und beim Weiterreiten verurſacht das im Magen aufgehäuſte Waſſer ein Geräuſch, wie

Brehm, Tierleben. 3, Auflage. II. 10