Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

148 Elfte Ordnung: Paarzeher; zweite Familie: Kamele.

[luſtig davon und verfällt hierauf bald wieder in ſeinen gewöhnlichen Schritt. Aus dieſen Gründen hat der Araber ſeine Reitkamele gewöhnt, bloß Trab zu gehen.

Jn Gebirgsgegenden läßt ſih das im Flachlande aufgewachſene Dromedar nur in be\{<ränktem Maße gebrauchen, weil ihm das Klettern höchſt beſhwerlih fällt. Namentlich bergab fann es, weil es ziemlich ſtark überbaut iſt, nur mit äußerſter Vorſicht gehen. Doch ſieht man auf der Weide die Kamele immerhin einigermaßen kleitern, freilich ſo tölpelhaft wie möglih. Noch ungeſchi>ter benimmt ſih das Tier im Waſſer. Schon wenn es hineingetrieben wird, um zu trinken, gebärdet es ſih wie unſinnig; viel ſchlimmer aber wird die Sache, wenn es über einen großen Strom ſeßen ſoll; denn es kann niht ſ{winmen und muß gleihwohl ſ<hwimmend von einem Ufer zum anderen geſchafft werden, weil die Fährbarken meiſt zu klein find, um das ungeſchi>te Geſchöpf aufzunehmen. Daher zwingt man es, in das Waſſer zu gehen, hält es langſeits des Fahrzeuges an Kopf und Schwanz über Waſſer und ſ<leppt es derartig hinüber zur Landungsſtelle.

Die Stimme des Dromedares läßt ſih niht beſ<hreiben. Gurgeln und Stöhnen, Knurren, Brummen und Brüllen we<hſeln in der ſonderbarſten Weiſe miteinander ab. Unter den Sinnen dürfte das Gehör am beſten ausgebildet ſein; das Geſicht ſcheint jenem Einne vielfa<h naczuſtehen, und der Geruch iſt ſicherlih ſ<le<t. Das Gefühl dagegen ſcheint fein zu ſein, und Geſhma> zeigt es wenigſtens man<hmal. Jm ganzen muß man das Kamel als ein ſehr ſtumpfſinniges Geſchöpf betrachten. Nicht viel günſtiger fällt eine Beurteilung der geiſtigen Eigenſchaften aus. Um ein Kamel würdigen zu können, muß man es unter Umſtänden betrachten, unter denen es die geiſtigen Eigenſchaften auch zu offenbaren vermag, muß man etwa eines ſi<h aus8wählen, welches das Schwerſte ertragen, mit anderen Worten, arbeiten ſoll. Es läßt ſich niht verkennen, daß das Dromedar wahrhaft überraſchende Fähig: keiten beſibt, einen Menſchen ohne Unterlaß und in unglaublicher Weiſe zu ärgern. Dummheit und Bosheit ſind gewöhnlih Gemeingut; wenn aber zu ihnen noh Feigheit, Störrigkeit, Murrköpfigkeit, Widerwille gegen alles Vernünftige, Gehäſſigkeit oder Gleichgültigkeit gegen den Pfleger und Wohlthäter und noh hundert andere Untugenden kommen, welche ein Weſen ſämtlich beſizt und mit vollendeter Fertigkeit auszuüben verſteht, kann der Menſch, welcher mit ſol<hem Vieh zu thun hat, ſ<hließli<h raſend werden. Dies begreift man, nahdem man ſelbſt vom Kamele abgeworfen, mit Füßen getreten, gebiſſen, in der Steppe verlaſſen und verhöhnt worden iſt, nachdem einen das Tier tage- und wochenlang ſtündlih mit bewunderungswerter Beharrlichkeit und Ausdauer geärgert, nachdem man Beſſerungs- und Zuhtmittel erſhöpft hat. Daß das Kamel in einer Weiſe ausdünſtet, welche den Bosgeſtank als Wohlgeruch erſcheinen läßt, daß es das Ohr dur ſein Gebrüll ebenſo martert wie die Naſe dur ſeinen Geſtank oder das Auge dur<h den gezwungenen Anbli> ſeines unſäglih dumm ausſehenden Kopfes auf dem langen Straußenhalſe, gehört niht hierher; daß es aber mit Bewußtſein dem Willen ſeines Herrn jederzeit entgegenhandelt, das iſt es, was es in meinen Augen ſo tief ſtellt. Jh habe in Afrika unter den Tauſenden von Kamelen, die ih beobachten konnte, nux ein einziges geſehen, welches eine gewiſſe Anhänglichkeit an ſeinen Herrn zeigte.

Dies gilt aber doh nur für das Dromedar in einem verhältnismäßig kleinen Gebiete. „Möglich“ ſagt N. Jannaſch, der weit günſtiger über die Tiere denkt, „daß in ODberägypten und den angrenzenden Ländern ausgeartete Kamelraſſen vorkommen, welche ſolches Urteil verdienen.“ Viele andere Reiſende haben aber auh dort niht ſo ſ{<limme Erfahrungen gemacht, und die Dromedare anderer, viel größerer Gebiete werden weit beſſer beurteilt. Danach müſſen die des ſüdweſtlihen Aſien, des Somallandes, der Sahara ganz anders veranlagte Tiere ſein, wie au<h aus des vielerfahrenen Nachtigal Schilderungen hervorgeht. Von denen im Süden Marokkos berihtet Jannaſch: „Die Tiere ſind ſchön