Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Dromedar: Stimme. Sinnesfähigkeiten. Weſen. Fortpflanzung. 149

und ſchreiten ſ<nell, ſo daß, ſelbſt wenn ſie beladen ſind, ein kräftiger Mann Mühe hat, ihnen zu folgen. Sie ſind klug und haben feine Witterung. Auffälliges gewahren ſie noh über die erſtaunliche Fernſicht der Araber hinaus, und wie oft haben wir Gelegenheit gehabt, die leßtere zu bewundern! Die Tiere folgten ihren Herren aufs Wort, hielten till, ſezten ſi<h in Schritt und Trab, legten ſih nieder und ſtanden auf, wendeten ſih nah rechts und links, ohne daß ſie einer Hilfe bedurft hätten. Die älteren Tiere gingen ohne Zaum oder Stri> den jüngeren war ein ſolcher aus Halfa ſtraff um das Maul gewi>elt. Nur wenn ſie bepa>t wurden, ſchrieen ſie laut und zeigten ſi< unwillig. Auf dem Marſche waren ſie vorſichtig, dur<ſpähten unausgeſeßt das Gelände; ſobald ſih Auffälliges zeigte, ſtanden ſie ſtill. Genügſam, geduldig und thätig, das iſt das Weſen dieſer Steppen- und Wüſtentiere, von welchen unſere Steppenaraber prächtige, ſorgfältig gepflegte Stücke beſaßen. Keines derſelben zeigte Wunden oder Drukſtellen, wie ſolche die zahlreihen Kamele aufwieſen, denen wir ſpäter zu vielen Tauſenden im Anti-Atlas und Atlas begegneten.“

Geradezu abſchre>end wird das Dromedar zur Paarungszeit. Dieſe fällt im Norden in die Monate Januar bis März und währt 8—10 Wochen. Um dieſe Zeit lärmt, brüllt, beißt, ſtößt und ſchlägt der Kamelhengſt nah ſeinen Gefährten und ſeinem Herrn, wird unruhig und oft ſo wütend, daß man ihm einen Maulkorb anlegen muß, um Unglücksfälle zu verz hüten. Einer meiner Kameltreiber war von einem liebestollen Kamele verſtümmelt worden. Das wütende Tier hatte ihn, während ex das Aufladen beſorgte, am re<hten Arme gepa>t und das Ellbogengelenk mit einem einzigen Biſſe zerſplittert. Der Mann blieb ſein Leben lang ein Krüppel. Es ſind Beiſpiele bekannt, daß Kamele Leute dur< Biſſe getötet haben.

Die Unruhe des Tieres ſteigert ſich im Verlaufe der Paarungszeit. Es verliert die Freßluſt, knirſcht mit den Zähnen und treibt, ſobald es ein anderes Kamel ſieht, eine große, ekelhafte Hautblaſe, den Brüllſa> aus dem Halſe heraus und kollert, gurgelt, knurrt, brüllt und ſtöhnt dabei in der widerwärtigſten Weiſe. Der Brüllſa> iſt bei dem jungen Hengſte no< niht ſo weit entwi>elt, daß er aus dem Maule hervortritt; bei dem alten erreicht er eine Länge von 30—35 cm und fann, wenn er aufgeblaſen wird, die Größe eines Menſchentopfes erlangen. Oft bemerft man auf beiden Seiten des Maules Blaſen; gewöhnlich aber iritt bloß eine auf einer Seite hervor. Beim Austreiben wirft das Tier den Kopf vorwärts und bläſt Luſt in die eigentümliche Hülle, auf welcher dann die mannigfach verzweig¿en Gefäße, welche ſie dur<hfle<hten, grell hervortreten. Beim Einatmen entleert ſih die Blaſe wieder und erſcheint nunmehr als ein rundlicher Hautſa>, welcher ſogleih in das Maul zurü>geſ<lürft, bald darauf aber von neuem wieder hervorgeſtoßen wird. Ein Männchen genügt für 6—8 Weibchen. Nah 11—13 Monaten wirft die Kamelſtute ein einziges Junges. Dieſes iſt allerdings von dem erſten Tage ſeines Lebens an eine kleine Mißgeſtalt, hat aber, wie alle jungen Tiere, etwas Drolliges und Luſtiges. Es wird mit offenen Augen geboren und iſt mit ziemlih langem, dichtem, weichem, wolligem Haare bede>t. Der Höcker iſt ſehr klein, und die Schwielen ſind kaum no< angedeutet. An Größe übertrifft es ein [riſh geworfenes Füllen bedeutend: es iſt etwa 1 m hoh, nah Verlauf einer Woche aber ſchon beträchtli<h größer. Bei weiterem Wachstume nimmt die Wolle ſehr an Dichtigkeit und Länge zu, und das junge Kamel hat dann wirkli< auffallende Ähnlichkeit mit dem Paco, ſeinem amerifaniſhen Verwandten. Sobald es tro>en geworden iſt, folgt es ſeiner Mutter, welche ſih mit Liebe ſeiner annimmt. Wenn zwei Stuten mit ihren Füllen zuſammenkommen, ſpielen die jungen Geſchöpfe in lieben8würdiger Weiſe, und die Alten brummen Beifall. Uber ein Jahr lang ſäugt das Kamel ſein Junges, und während dieſer Zeit zeigt es einen mehr als gewöhnlichen Mut, indem es unter Umſtänden ſeinen Sprößling nach Kräften verteidigt. Die Mutter bekümmert ſi< nur um ihr eigenes Kind, niemals dagegen um ein ſremdes Füllen.