Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

168 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.

und, weil ſie niht gefärbt zu werden brauchten, ſehr lange ausdauerten. Die Kleider von dieſen Zeugen waren beſonders für heiße Witterung geeignet. Noch gegenwärtig webt man die feinſten und dauerhafteſten Stoffe aus dieſer Wolle und filzt haltbare, weiche Hüte aus ihr.

Von allen Lama-Arten werden Bezoarkugeln gewonnen, welche in früherer Zeit große Bedeutung hatten, gegenwärtig aber nux nah ihrem wahren Werte geachtet ſind, als eigentümliche Magenausſcheidungen, deren Hauptbeſtandteile kohlenſaurer und phosphorſaurer Kalk nebſt Gallenfett und zerſeßten Pflanzenſtoffen ſind.

Die dritte Hauptabteilung der Wiederkäuer wird gebildet dur<h di: Horntiere (Bovidae), welche eine einzige, jedo<h in fünf Unterfamilien getrennte, nah außen wohl abgegrenzte Familie bilden. So nahe verwandt die Hirſche den hohl- oder ſcheidenhörnigen Tieren auch zu ſein ſcheinen, ſo beſtimmt unterſcheiden ſie ſih, wie bereits in der Einleitung bemerkt, dur< die Geſtalt und Beſchaffenheit ſowie den Bildungshergang ihrer Gehörne, weil deren Entwi>elung und Weiterbildung eine ſtetig fortſchreitende iſt. „Die Horntiere“, ſagt Blaſius klar und verſtändig, „haben keilförmig ſih verſ<hmälernde Stirnzapfen, welche von der Hornſcheide dauernd umſchloſſen bleiben; der Knochenzapfen wächſt vom Grunde aus ununterbro<hen na< und dehnt ſih dadur< in die Länge, an der Wurzel auch in die Dicke aus. Beim Fortwachſen entwi>elt ſih auf dieſem Knochenzapfen der ganzen Länge nah ununterbrochen neue Hornmaſſe, für welche die alte vorhandene fortwährend eine feſt umſchließende Scheide bildet. Auch bei den Scheidenhörnern wird dur die neugebildete Hornmaſſe die vorhandene ältere vom knöchernen Stirnzapfen getrennt, aber niht wie bei den Hirſchen mechaniſh abgeworfen, indem die kegelförmige Geſtalt der Berührungsfläche und die feſte Umhüllung der alten Hornſcheide das Abfallen verhindern. Eine Wiederkehr nach gewiſſen Zeiträumen, wie bei den Hirſchen, ſcheint auf den erſten Blik nicht zu beſtehen; doch zeigt jeder Jahreszuwuhs eine ſchärfere Abſhnürung au< äußerli<h am Horne dur wellenförmige Verengerung und ſogar durch mechaniſche, oft tief in die Hornmaſſe eindringende Ablöſung der Schichten verſchiedenen Alters. Auch iſt niht zu verkennen, daß der Grad des Wachstumes der Hornmaſſe niht im Verlaufe des ganzen Jahres ein gleihmäßiger iſt. Der Jahreszuwahs nach dem Alter iſt ebenfalls abwechſelnd; die Länge der neu hinzutretenden Jahresringe wird mit dem Alter immer kleiner.“ Zur anderweitigen Kennzeihnung der Familie mag dienen, daß alle zu ihr gehörigen Tiere nur im Unterkiefer Schneideund C>zähne haben, 6, beziehungsweiſe 2 an der Zahl, und außerdem in jeder Kieferhälfte oben und unten 6 Backenzähne beſißen, daß ferner die Shädelknohen an den Kopfſeiten vor dem Auge diht und undur<brochen ſind, der Huf ziemlih plump und breiter als die Dicke der Zehen iſt, die Behaarung gleihmäßiger als bei den Hirſchen zu ſein pflegt und Haarwülſte an den Hinterläufen niht oder doh nur ausnahmsweiſe vorhanden ſind.

Abgeſehen von Gebiß und Gehörn läßt ſih übrigens etwas allgemein Gültiges von den Horntieren niht ſagen. Jhr Leibesbau iſ außerordentlih verſchieden, da die Familie ebenſowohl plumpe und maſſige wie überaus leichte und zierliche Geſtalten aufweiſt. Die Geſtalt der Hörner und der Hufe, die Länge des Shwanzes, Haarkleid und Färbung ſ{<wanfen in weiten Grenzen; Thränengruben ſind vorhanden oder fehlen; die Naſenſpibe iſt behaart oder na>t: kurz es ergeben ſih bei genauer Betrachtung der hierher zu zählenden Tiere zahlreiche Unterſchiede.

Wie die äußere Geſtalt, iſt auh die Lebensweiſe der Horntiere ſehr mannigfaltig. Faſt über die ganze Erde, mit Ausnahme Südamerikas und Auſtraliens, ſich verbreitend, bewohnen ſie in vielen Arten alle Gürtel der Breite und Höhe und alle Gebiete oder Gefilde, von