Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Allgemeines. 169

der öden Wüſte an bis zu dem in tropiſcher Fülle prangenden Walde, von der ſumpfigen Ebene an bis zu den gletſcherbede>ten Gebirgen hinauf. Weitaus die meiſten leben geſellig, niht wenige in ſtarken Herden, einige wenigſtens zeitweilig in Scharen, welche unter den Säugetieren höchſtens no von den dur Nager gebildeten übertroffen werden können. Entſprechend ihrer verſchiedenen Geſtalt bewegen ſich die einen plump und ſ{<werfällig, die anderen im höchſten Grade behende und gewandt, und im Einklange mit ihren Aufenthaltsorten \{wimmen einzelne ebenſogut, wie andere klettern. Faſt ausnahmslos ſind auch die höheren Begabungen wohl entwi>elt: die Horntiere zeihnen ſih dur< ſcharfe Sinne, nicht wenige dur Verſtand aus, obwohl gerade unter dieſen Tieren auch geiſtig ſehr wenig befähigte Mitglieder gefunden werden. Jhre Vermehrung iſt eine erhebliche, obſchon ſie meiſtens nur ein einziges, ſeltener 2, in Ausnahmefällen 3 und höchſtens 4 Junge gleichzeitig zur Welt bringen. Dieſe unterſcheiden ſih in ihrer Entwi>elung wie in ihrem Wachstume niht von denen anderer Wiederkäuer. Sie kommen in ſehr ausgebildetem Zuſtande zur Welt und ſind bereits nah wenigen Stunden, ſpäteſtens na< einigen Tagen fähig, ihren Eltern auf allen, oft den gefährlichſten und halsbrehendſten Wegen zu folgen. Bei vielen Arten währt das Wachstum mehrere Fahre, bei den meiſten ſind die Jungen bereits na< Ablauf des erſten Lebensjahres wieder fortpflanzungsfähig, und gerade hierdurch ertlärt ſih das verhältnismäßig außerordentlih raſhe Anwachſen eines Trupps oder einer Herde dieſer Tiere. ' Für den Menſchen haben die Horntiere eine viel höhere und wichtigere Bedeutung als alle übrigen Wiederkäuer, mit alleiniger Ausnahme der Kamele. Fhnen entnahm die Menſchheit ihre wichtigſten Nähr- und Nugtiere; ihnen danken wirx einen weſentlichen Teil unſerer regelmäßigen Nahrung wie unſerer Kleiderſtoffe; ohne ſie würden wir gegenwärtig nicht mehr im ſtande ſein, zu leben. Auch die no< ungebändigten, unbeſchränkter Freiheit ſich erfreuenden Arten der Familie ſind durhgehends mehr nüßlih als ſ{hädlih, da ihre Eingriffe in das, was wir unſer Beſißtum nennen, uns niht ſo empfindlich treffen wie das Gebaren anderer großer Tiere und ſie dur ihr faſt ausnahmslos ſ{<ma<>haftes Wildbret, dur Fell, Haare und Horn den von ihnen dann und wann angerichteten Schaden wenigſtens ſo ziemlih wieder aufwiegen, im großen (Ganzen ſogar überbieten. Faſt ſämtliche wildlebende Horntiere zählen zum Wilde, nicht wenige von ihnen zu Jagdtieren, welche der Weidmann den Hirſchen als vollkommen ebenbürtig an die Seite ſtellt. Außer dem Menſchen haben die Horntiere noch viele andere Feinde; mehr noch aber als alle Gegner zuſammengenommen beſhränken Mangel, Hunger und infolge deſſen ſih einſtellende Seuchen ihre Vermehrung. Die fünf Unterfamilien, auf welche wir die Horntiere verteilen, wollen wir als Böke, Schafrinder, Rinder, Schneebö>e und Antilopen unterſcheiden. |

Die beiden Gattungen der Böcke (Caprinae), nämlich die Ziegen und Schafe, bekunden eine ſo innige Verwandtſchaft unter ſich, daß es kaum möglich erſcheint, dur<hgreifende Unterſcheidungsmerkmale dafür aufzuſtellen.

Zux Kennzeichnung der Vöke läßt ſih nachſtehendes anführen. Alle hierher gehörigen Arten erreichen nur eine mittlere Wiederkäuergröße, ſind kräftig, zum Teil ſogar plump gebaut, haben furzen Hals und meiſt au< gedrungenen Kopf, niedere und ſtämmige Beine mit verhältnismäßig ſtumpfen Hufen und kurzen, abgerundeten Afterklauen, runden oder breiten und dann mehr oder weniger dreie>igen, unten na>ten Schwanz, kurze oder doh nur mittellange Ohren, ziemli< große Augen mit quer geſtelltem, länglich viere>igem Stern, mehr oder weniger zuſammengedrüdte und e>ige, nah hinten und zur Seite gerichtete,