Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

190 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.

Bergſteinböcken alle übrigen verlegt worden: ſie müſſen uns alſo kommen. Nach und nah wird es lebendig auf den gegenüberliegenden Kämmen; oft beobahtet man, bevor man zum Schuſſe kommt, mehr als eine Stunde lang das Wild, und gerade darin liegt der Hauptreiz dieſer Jagd. Jn der Regel nähert ſih die Herde ſo langſam dem Stande des Schüßen, daß dieſer Zeit findet, mit aller Ruhe zu zielen, um dem nichts ahnenden Opfer das tödliche Blei ins Herz zu ſenden. Jn das Herz aber will der Bergſteinbo> getroffen ſein, ſonſt iſt ex, in den meiſten Fällen wenigſtens, für den Jäger verloren. Oft bleibt das Nudel nah dem erſten Schuſſe ruhig ſtehen als ſei nihts vorgefallen, und läßt dem Jäger, vorausgeſeßt, daß es dieſen weder eräugen noh erwinden kann, hinlänglich Zeit, noch einen zweiten Schuß abzugeben.

„Für den eingeborenen Süßen iſt der Gewinn der Jagd nicht unbedeutend. Fener weidet das erlegte Bergſteinwild ſofort nah dem Schuſſe aus, füllt die Leibeshöhlen mit wohlriehenden Kräutern an und ſhleppt dann die ſ{hwere Laſt, auf oft halsbrechenden Wegen, in die Tiefe, zunächſt bis zu einer paſſend gelegenen Meierei, von wo aus die Beut2 auf Maultieren weitergeführt wird. Das Wildbret iſt ſehr beliebt und ſteht deshalb überall hoh im Preiſe; aber au< Haut und Gehörn bezahlt man recht gut.

„Der Fang unſeres Wildes iſ Sache des Zufalles. Beſonders geübte Jäger machen ſi< tiefen Schnee zu nuge, um Bergſteinwild, nahdem ſie die Päſſe beſeßt haben, mit Hunden zu heben. Da kommt es denn vor, daß Bergſteinbö>e lebend gefangen werden. Fm vergangenen Winter erbeutete man bei einer derartigen Jagd ſieben Stü>k. Auch im Sommer ſuhen verwegene Gebirgsleute Bergſteinwild zu berü>en. So bin ich ſelbſt einmal Zeuge geweſen, daß ein Jäger unter dem Winde unbemerkbar bis an eine Höhle, in welcher ein ſtarker Bo> Schuß gegen die Hite geſucht hatte, ſih heranſ<hli< und hier, anſtatt zu ſchießen, verſuchte, das Tier lebend zu fangen, indem er dieſem den engen Ausweg vertrat. Gedachter Verſuh mßglü>te aber: denn kaum gelang es dem kühnen Jäger, fih ſo feſtzuhalten, daß er von dem herausſtürmenden Boke nicht in den Abgrund geſtürzt wurde. Alt eingefangene Bergſteinböe in Gefangenſchaft zu erhalten, ſcheint übrigens unmöglich zu ſein. Jenen ſieben Stü>k band man nah dem Fange die Läufe zuſammen, um ſie ſo nah dem Dorfe hinabſchaffen zu können. Fünf von ihnen ſtarben nac etwa zweiſtündigem Marſche bereits unterwegs, hauptſächlih wohl infolge der ſie quälenden Angſt und Furt; die beiden übrigen langten zwar lebend im Dorfe an, raſten ſih aber in dem ihnen angewieſenen

Stalle binnen wenigen Stunden zu Tode.“ *

Die Ziegen im engſten Sinne (Wircus) ſind durhſchnittlih etwas kleiner als die Steinbö>e , ihre Hörner mehr oder weniger zuſammengedrü>t, beim Männchen ſcneidig und mit Querwülſten oder Runzeln verſehen, beim Weibchen geringelt oder gerunzelt. Fm übrigen ähneln die Ziegen den Steinböken in jeder Beziehung, können au kaum von ihnen getrennt werden und ſtellen deshalb eine Untergattung von zweifelhaftem Werte dar.

Au unſere Hausziege teilt das Schi>ſal der übrigen Haustiere: man weiß niht, von welcher Art ſie abſtammt. Über die wild lebenden Ziegen, welche namentlich Aſien bewohnen, wiſſen wir no< ſo wenig, daß wir niht im ſtande ſind, ihre Artenzahl auh nur annähernd anzugeben. Viele Naturforſcher glauben, daß wir vor allen anderen wild lebenden Arten der Bezoarziege die Chre zuerkennen müſſen, uns mit einem fo nüglichen Haustiere bereichert zu haben. Leßteres ſtimmt in der That in allen weſentlichen Merkmalen mit erſterer überein; nur die Nichtung und Windung der Hörner iſt eine andere.

Die Bezoarziege, in Perſien, laut Blanford, gewöhnlih Boz-Paſang, das Männhen Paſang, das Weibchen Boz genannt (Capra aegagrus, Hircus und À egoceros