Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Bergſteinbo>: Leben3weiſe. Nahrung. Fortpflanzung. Fagd. 189

aufgeregter Bergſteinbo> ging langſam auf meinen Nebenmann zu, wurde von dieſem zweimal gefehlt, hierauf für kurze Zeit flüchtig, fiel, nahdem er einige 100 Schritte raſh zurüdgelegt hatte, wieder in ſeinen ruhigen Gang, gelangte hinter meinen na< vorn hin gut verbauten, auf der Rü>ſeite aber offenen Stand, ſtaunte mi, der ih nichts ahnte, wenigſtens 15 Minuten lang an und zog dann ruhig weiter. So erzählten mir meine Jagdgenoſſen nah beendigtem Treiben zu meinem großem Verdruſſe.

„Harmloſen Tieren gegenüber bekundet das Bergſteinwild weder Furht no< Zuneigung. Doch ſieht man in der Sierra de Gredos im Hochſommer, wenn die Ziegenherden der Dörfler am Fuße des Gebirges bis in das Gebiet der Steinbö>ke emporſteigen, zuweilen beide Tierarten friedlih nebeneinander weiden.

„Anfang November tritt die Paarungszeit ein. Nunmehr geſellen ſih die Böke zu den Ziegen, und es beginnen gleichzeitig die heftigſten Kämpfe zwiſchen erſteren, zumal zwiſchen ſehr alten Herren, jedenfalls als feſſelndes Schauſpiel für die jungen Tiere, welche ruhige Zuſchauer bleiben. Schon im Dezember trennen ſi<h beide Geſchlechter wieder; jedoch halten ſi< au< dann noh meiſt einige junge, d. h. ein- bis dreijährige, Böcke zu der Geißenherde. Ende April oder Anfang Mai, alſo 20—24 Wochen nah dex Paarung, ſeßt die Geiß ein Junges, welches wenige Stunden nah ſeiner Geburt der Mutter auf ihren Pfaden leiht und ſicher folgt und von ihr ſorgſam gepflegt und gehütet wird. Nux auf der Südſeite und an den ſonnigſten Wänden des Gebirges, nehmen jezt die Muttertiere ihren Stand, und anſtatt fahle Abhänge aufzuſuchen, wählen ſie die mit Ginſtergebüſh bewachſenen Lehnen und Schluchten und verbringen auf und in ihnen den größten Teil des Spätfrühlinges und Frühſommers. Werden ſie aufgeſhre>t, ſo laufen die Zi>elchen neben der Mutter her; können dieſe bei higiger Verfolgung der alten Geißen niht na<kommen, ſo duen ſie ſich unter einem dichten Strauche, hinter einem ſhüßenden Felsblo>e, in einer Felſenſpalte 2c. und verharren hier bis zur Rü>kehr der Alten. Schneefelder überſteigen die Bergſteinziegen überhaupt ſehr ungern, vermeiden ſie aber, wenn ſie Zi>lein führen, faſt ängſtlich.

„Auch das Bergſteinwild ſoll ſeit 25 Fahren in der Sierra de Gredos bedeutend abgenommen haben, und in der That kann dies kaum anders ſein, da der Spanier von einer Schonzeit keine Vorſtellung hat, außerdem gerade in unſerem Gebirge jeder Hirt ein Gewehr führt und während ſeines monatelangen Aufenthaltes in den Höhen bei Tag und Nacht dem edlen Wilde na<hſ<hlei<ht. Wollte und könnte man ſtreng verbieten, Geißen während der Frühlingsmonate zu erlegen, ſo würde ſih gerade das Steinwild, welches außer dem Menſchen wenige Feinde hat, in kürzeſter Friſt wieder bedeutend vermehren. Bartgeier, Steinund Kaiſeradler nehmen wohl öfters ein Zi>lein weg, getrauen ſih aber, nah Ausſage der von mix befragten Hirten niemals an alte Böke oder Geißen. Dieſen wird außer dem Menſchen höchſtens der Wolf gefährlich; aber auh er ſchadet, weil er kaum jemals in bedeutendere Höhen emporſteigt, eigentli<h nur im Winter, wenn ein Rudel Bergſteinwild in die Tiefe herabgezogen iſt, bei hohem Schnee von Jſegrim in einiger Entfernung von den rettenden Felſenwänden überraſcht und dur den Schnee an erfolgreicher Flucht verhindert wird; denn unter ſolhen Umſtänden bleiben die Steinböcke nicht ſelten ermattet liegen oder ſte>en, und fallen dann dem gierigen Räuber leiht zur Beute.

„Der ſpaniſche Jäger erlegt das Bergſteinwild entweder auf der Birſh oder auf dem Anſtande. J<h habe auf der Sierra de Gredos die Treibjagd eingeführt und dadurch ausgezeihnete Erfolge erzielt. Unter ſorgfältigſter Wahrnahme des Windes beſete ih mit den von mir eingeladenen Schüßen den Kamm eines Thalkeſſels; die Treiber haben inzwiſchen das erwählte Gelände umſtellt und beginnen rechtzeitig, dur<h Schreien und Hinabrollen von Steinen alles in ihnen ſi< aufhaltende Wild aufzuregen und in Bewegung zu bringen. Vis auf die Päſſe, welche nah dem von uns Jägern beſetzten Keſſel führen, ſind den