Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

192 Elfte Drdnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.

einwärts, ſo daß ſie an ihrem äußerſten Ende um 12—15 em näher zuſammenſtehen als in der Mitte, wo die Entfernung zwiſchen beiden 30—40 em beträgt. Das rechte Horn iſt {wach mit der Spize nach re<ts, das linke nach links gewunden. Die Knoten oder Querwülſte des Gehörns, zwiſchen denen zahlreiche Querwurzeln liegen, ſteigen bei alten Tieren bis auf 10 und 12 an. Beide Geſchlechter tragen einen ſtarken Bart; die übrige Behaarung beſteht aus ziemli<h langen, ſtraffen, glatt anliegenden Grannen und furzen, mittelmäßig feinen Wollhaaren. Die Färbung iſt ein helles Rötlichgrau oder Roſtbräunlichgelb, welches an den Halsſeiten und gegen den Bauch hin wegen des hier reihliher auftretenden weißſpißzigen Haares lichter wird; Bruſt und Unterhals ſind dunkel ſ<hwarzbraun, Bauch, Junen- und Hinterſeite der Schenkel weiß. Ein ſcharf abgegrenzter, von vorn nah hinten ſich verſhmälernder, dunkel ſ{hwarzbrauner Längsſtreifen verläuft über die Mittellinie des Rü>ens bis zu dem einfarbigen ſchwarzen Schwanze. Hinter den Vorderbeinen beginnt ein gleihfarbiger Streifen, welcher die Dber- und Unterſeite har voneinander ſcheidet. Die Vorderläufe ſind vorn und ſeitlih dunkel ſchwarzbraun, über der Handwurzel, wie die hinteren, weiß geſtreift. Der Kopf iſt an den Seiten rötlihgrau, auf der Stirn braunſ<warz, vor dem Auge und an der Wurzel des Naſenrücens wie Kinn- und Kehlbart dunkel ſ{<warzbraun, an den Lippen weiß.

Das Verbreitungsgebiet der Bezoarziege exſtre>t ſih über einen ausgedehnten Landſtrih Weſt- und Mittelaſiens. Sie findet ſih auf der Südſeite des Kaukaſus, im Taurus und den meiſten übrigen Gebirgen Kleinaſiens und Perſiens, bis weit nah Süden hin und dur< Afghaniſtan, wo ſie Hutton fand, ſowie Belutſchiſtan, laut Sterndale, bis na< Sind. Nach A. Walter „bewohnt ſie den geſamten Kopet-dagh bis zur Grenze Afghaniſtans ſowie den Gebirgsknoten des Großen Balchan. Jn beiden Gebirgen reiht ſie in Thalſ{lu<ten oft bis zur Steppenebene hinab. Wie es ſcheint, geht ſie aber vom Balchan aus nicht viel weiter nah Norden auf die Höhenzüge der kaſpiſhen Küſtengebirge über. Jm Kuba-dagh bei Krasnowodsk fehlt ſie jedenfalls und wird ebenſowenig von den Höhen der Halbinſel Mangyſchlak und um den Uſt-jurt gemeldet. Jn Turkiſtan fehlt ſie bekanntlich auh, erreiht ſomit in Aſien auf dem Großen Balchan ihre Nordgrenze und iſt auf ihn ſrag(os vom Kopet-dagh aus über den Küran-dagh und Kleinen Balchan gelangt. Hier wie im Kopet-dagh kommen Rudel von 30—90 Stü nicht ſelten vor.“ Unſer Tier findet ſi aber auh auf mehreren Jnſeln des Mittelländiſchen, insbeſondere des Griechiſchen Meeres und vielleicht ſogar auf den höheren Gebirgen der Griechiſchen Halbinſel. Wie Unterſuchungen faſt außer Zweifel ſtellen, iſt ſie nämlih dasſelbe Tier, deſſen Homer bei Schilderung der Kyklopeninſel gedenkt:

„Der Ziegen unendliche Menge durſtreift ſie, Wilden Geſchlechts, weil nimmer ein Pfad der Menſchen ſie ſcheuchet.“

Schon ſeit Belons Zeiten, ſeit Mitte des 16. Jahrhunderts alſo, wußten wir, daß auf Kreta eine Wildziege lebe, und ſpäter wurde in Erfahrung gebracht, daß dasſelbe Tier oder ein ihm ſehr ähnliches auh auf den Kykladen vorkommt. Fm Fahre 1844 berichtet Graf von der Mühle folgendes: „Auf der Jnſel Joura bei Skopelos, nördlih von Euböa, welche, einen alten Einſiedler ausgenommen, ganz unbewohnt iſt, wimmelt es von einer Ziegenart, — von welcher, konnte ih niht erfahren, ſelbſt tro aller Anſtrengungen Und Verſprehungen nicht einmal ein Gehörn erhalten. Sie ſind ſo ſchlimm, daß ſie den Jäger anfallen, und, wenn er niht vorſichtig iſt, ihn über die Felſen hinabſtürzen. Fm Fahre 1839 wurde eine Abteilung griechiſher Soldaten dur widrigen Wind auf dieſe Jnuſel verſchlagen, welche in kurzer Zeit 20 Stü teilweiſe mit den Bajonetten erlegten. Dieſelbe Ziege kommt auh auf dem Veluchi- und Ötagebirge vor.“ Über ein Jahrzehnt ſpäter teilt nun Erhard mit, daß auch er von dem Vorkommen wilder Ziegen auf Kreta und mehreren